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Ich näh‘ mich einmal durch den Kleiderschrank

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Seit August 2021 besitze ich eine Nähmaschine, also seit gut 6 Monaten. Ich muss manchmal schmunzeln, wenn ich neues Nähgarn einfädle und an meinen allerersten Versuch denke, wie ich mitsamt Videoanleitung für Ober- und Unterfaden eine geschlagene halbe Stunde brauchte ^^

Mittlerweile habe ich viele Meter Garn und Stoff vernäht, kleine und auch große Stoffstücke zusammengefügt, repariert und upgecycelt, Reißverschlüsse eingearbeitet und Falten gelegt. Aber Onlinevideos gucken mache ich immer noch gerne. Beides lenkt mich wunderbar ab, wenn mir die Welt allzu verrückt vorkommt.

Nun bin ich sogar an einem Punkt, wo mir Instagram als Vorschläge fast nur noch Clips über Nähen oder Posts von Selbstgenähtem anzeigt. Es ist eine kleine Sucht mich da durchzuflitschen, durch die kurzen Beiträge aus den USA, Kanada, aber auch viel aus dem asiatischen oder russischen Raum, mit spanischen oder auch türkischen Texten. Es ist wahnsinnig interessant, die verschiedenen Nähfüsse im Zeitraffer arbeiten zu sehen: Geradstich, Overlocknaht, Quiltstickereien. Rattatatam! Zappzadapp gesteckt, genäht, gewendet, mit Webkante versehen. Und immer sitzt der Reissverschluss perfekt!

Doch so langsam stellt sich eine Art Sättigung ein.

Gottseidank.

Gleichzeitig aber auch ein Gefühl von Freiheit:

Ich kann mir (fast alles) nähen, was ich will!

Ist das nicht grossartig?!

Paralle stöbere ich online nach Schnittmustern; oft für etwas, was mir vielleicht als Werbung angezeigt wurde, z.B. ein Rock, den ich mir aber nienienie bestellt hätte weil die Wahrscheinlichkeit zu gross ist, dass er eh nicht passt (ich habe zwar Hüften, aber die gehen senkrecht nach oben und knicken dann im steilen Winkel ein zur Taille, das ist eher eine Kante als eine Rundung oder wie ein Tanzpartner damals in der Tanzschule spassig zu meiner Beckenschaufel meinte: „Wie ein Griff zum Wegwerfen!“ Haha, gar nicht witzig so mit 14, 15 wenn man eh unsicher ist und dann mit der Peergroup äußerlich nichtmals mithalten kann weil eigentlich alles an diesem jugendlichen Körper zu dünn, zu lang und zu kantig ist, Füsse, Arme, Beine, alles schlaksig, aber ich schweife ab!), oder eine Culotte, die aber dann in einer anderen Farbe, vielleicht auch ohne diese unnützen Gürtelschlaufen und derart verlängert, dass sie an meinen Beinen auf perfekter Höhe endet und nicht schon direkt unter dem Knie… aber hey! So ähnlich muss es das doch irgendwo zum Selbernähen geben und dann könnte ich ja vielleicht einfach…???

Ich stolpere online durch einen Stoffladen nach dem anderen, staunend, jauchzend, seufzend, wegklickend und bin ganz froh, dass ich (noch) auf die feste Webware beschränkt bin, wobei mir der elastische Jersey gerade auch (noch) gar nicht fehlt. Plotter, Stickereien und Overlock lassen mich ebenso (noch) kalt; ich liebe es, meine Fortschritte in Naturfasern verschiedenster Art zu bemerken, Kunstfaser kommt mir nur noch selten auf die Haut und ich stehe mehr auf Handwerk als auf solches Brimborium. Ein tolles Buch über Jersey steht zwar schon im Regal (Weihnachtsgeschenk meiner Ma), aber noch lasse ich diese Büchse der Pandora geschlossen.

Nach vielen kleinen Projekten (Kosmetiktäschchen, Haarbändern, Babymütze etc), ersten Blusen (reine Viskose oder Viskose- Baumwollmischung), Kinderkleidern, einem Kinderrock aus Musselin, nach einer Kimono- Jacke aus feinem Wollstoff (leider noch nicht fertig, ich warte noch auf Garn für die Einfassung einer Naht mit Schrägband) und nach einem geilen Wäschesack (Freestyle aus alten Jeans und einem Reststück Pünktchenstoff vom Wühltisch) probiere ich mich also quer durch die Stoffqualitäten und Anleitungen von und für Webware.

Freebook und Ebook zum selber Ausdrucken (bäh, das geht nur bei kleineren Teilen), Papierschnittmuster (jawoll!) und abpausen, das muss auch erst einmal geübt werden, bis es flüssiger von der Hand geht.

Ich hatte zum ersten Mal richtig Respekt, einen Stoff anzuschneiden und auch schon das erste Schnittmuster, das wider Erwarten nicht passte (meine Schultern sind länger als das Normmass, wie sich dann herausstellte – Mehr zur Bluse ganz unten). Die kleinen Gütermann- Garnrollen halten nicht lange, so für 2 bis 4 Teile etwa, je nach Größe, die 1000m- Rollen vom Nähmaschinenhersteller rollen sich in der Kiste aber ganz gerne ab und sowieso, die passende Aufbewahrung für den ganzen Kram ist ja auch nochmal eine ganz andere Geschichte…

Das muss so, sage ich mir dann! Learnings!!! Üben und wachsen!!!

Ich beschäftige mich mit Maßtabellen für Körper, Flächengewichten von Stoffen und verschiedenen Nähnadeln, bestaune online unterschiedlichst eingerichtete Nähzimmer, stöhne über die niedrige Höhe unseres Esstisches bei Zuschnitt und beim Stecken und ärgere mich über das ewige Aufbauen und später wieder Wegräumen von Maschine sowie Zubehör. Icch sehe die Kleidung in meiner Umgebung und andere genähte Sachen plötzlich mit ganz anderen Augen.

Ausserdem habe ich mir eine Kladde angelegt, in der ich das Werkstück als Zeichnung festhalte, dazu ein Stück des verwendeten Stoffes und ein paar Angaben dazu (das macht es leichter bei einer Bestellung online, denn in die richtigen Stoffläden komme ich so selten und bin dort auf die angebotene Auswahl beschränkt, auch wenn es gar nichts Besseres gibt als vor Ort zu shoppen weil man optisch und haptisch alles so viel schneller erfasst!).

Weiterhin notiere ich dort auch Änderungen am Schnittmuster oder Abweichungen vom Üblichen (Stichlänge, Fadenspannung etc) oder bewahre darin meine ersten Skizzen auf. Die verwendeten Schnittmuster sammle ich in Prospekthüllen in einem Aktenordner, damit ich auch alles gut wieder finde.

Ich mag Kellerfalten (wahrscheinlich weil ich nie einen mir passenden Rock damit fand und ich das irgendwann abspeicherte unter „lohnt des Anprobierens nicht, passt eh nie“), geometrische Muster (vor allem 20er, 60er, 70er Jahre, I love it!), bei Kleidung für mich schlichte Schnitte mit einem gewissen Extra und schaue gerade verstärkt, bei welchen Schnitten ich Ärmel und Beine auf einfache Weise für mich verlängern kann. Schnittmuster für grosse Frauen scheinen Mangelware zu sein, zu vielfältig die Abweichungen von der Norm, zu klein der Markt.

Wegen der Schultern haben sich Schnittmuster mit überschnittenen Schultern bewährt, einzig und allein bei ärmellosen Tops begegenete mir noch keins, bei dem der Ausschnitt super für mich ist (erneut das Stichwort eigene Anatomie; also Ausschnitt nicht nur bis unters Schlüsselbein, denn das steht mir nicht, aber auch nicht überkreuz mit tiefem V). Vielleicht liegt es dann aber auch wieder an dem Ding mit Webware vs. Jersey, das kann gut sein.

Mein Wunsch: meine jetzige Garderobe so mit Selbstgenähtem aufzustocken, dass alles super zusammen passt. Nicht ganz Capsule Wardrobe, aber doch in die Richtung. Jetzt, wo ich mit dem Kinderkriegen wirklich sicher fertig bin, wird im Frühjahr auch einiges aus dem Schrank fliegen. Anderes will ich abändern, damit es bleiben kann und öfter getragen wird (z.B. Blusen mit Ärmeln, die einen Tick zu kurz sind -> da mache ich 3/4 Ärmel draus!)

Ich lerne stetig dazu und habe ständig neue Ideen, was ich als nächstes ausprobieren möchte.

Es ist einfach nur wunderbar!


Da ich für die nicht passende Bluse keine Abnehmerin in der Nähe gefunden habe,

Edit 13:30h: ABER DAFÜR JETZT IN DIESEM INTERNET; WIE TOLL IST DAS DENN BITTE?!?!

probiere ich es jetzt mal hier: es ist der Schnitt „Frau Yoko“ von Studio Schnittreif mit der hübschen Kellerfalte unter der Rückenpasse. Der Stoff ist eine dunkelblaue Viskose „twig midnight“, die ich bei Kattun Stoffe kaufte und im Schonprogramm der Waschmaschine vorwusch.

Die Bluse nähte ich in Grösse M, abhängig vom tatsächlichen Brustumfang (S= 82cm, M= 90cm, L = 98cm laut Schnittmuster). Ich selbst habe einen Brustumfang von 94cm gemessen, mich wegen des lockeren Schnittes aber für die Größe M entschieden gehabt. Die passt eigentlich auch super, aber eben nicht an den Schultern. Zuerst hatte ich die Bluse in einer Viskose- Baumwollmischung genäht, da saßen die Schultern gerade so okay und ich dachte, in der noch weicheren reinen Viskose würde es viel besser passen.

Die fertige Bluse hat einen Brustumfang von ca. 100cm (die Kellerfalte im Rücken gibt ja ein wenig Luft).

Abweichend vom Schnittmuster verlängerte ich die Bluse nach unten um 5cm. Von oben auf der Schulter bis Saumkante unten vorne sind ca. 64cm, bis Saumkante hinten sind ca. 69cm.

Ich würde mich freue mich wahnsinnig, wenn sie woanders ein Zuhause findet, daß sie woanders ein Zuhause gefunden hat, der Stoff ist zum Zerschneiden einfach zu schön :)


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Ein Gedanke zu „Ich näh‘ mich einmal durch den Kleiderschrank“

  1. Zu deinem Problem mit der Körperlänge……😉 Da du erst seit 6 Monate nähst, bist du vielleicht noch nicht über die Schnitte von Katjuschka gestolpert? Mein Mann ist auch so ein langer, schlaksiger Mensch wie du. Und ich bin ganz lange nicht fündig geworden bei Schnitten, die ihm einfach so passen. Ohne dass ich jedes Mal was abändern muss. Und dann bin ich auf Katjuschka und Katja Berger gestoßen. Zugegeben, die Schnittmuster sind nicht billig. Aber sie sind jeden Cent wert! Katja erklärt darin ganz genau wie du das Schnittmuster einmalig an deinen Körper anpasst. Und dann passt es. Und genau so war es wirklich, das Shirt passte dem Mann wie angegossen. Seitdem nähe ich das auf ihn abgestimmte Mister T rauf und runter und nichts anderes mehr.

    Es gibt bei Katjuschka meines Wissens auch Schnittmuster für Webware. Und wenn du keine Lust zum Kleben der Schnittmuster hast, dann empfehle ich dir z.B. bei https://www.dieplotterei.de/ einen großen Papierbogen aus den A4-Einzelseiten erstellen zu lassen.

    Viel Spaß weiter beim Nähen 💖. Und ich würde mich an deiner Stelle wirklich von Plottern fernhalten. Die haben noch mehr Suchtpotenzial 😆.

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