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01.02.2020 Zyklustag 12 und Punktion
Am Morgen klappt alles ganz reibungslos. Meine Schwester trifft pünktlich in einer wirklich unchristlichen Frühe ein (ganz großer Dank an dieser Stelle nochmal!!!) und wir kommen gut zur Praxis. Wir dürfen direkt in unser Patientenzimmerchen durchgehen und werden kurz danach vom punktierenden Doc (wieder ein neues Gesicht, aber immerhin die Person, die mir angekündigt worden war) begrüßt.
Im Gegensatz zu sonst wird der Mann kurz darauf abgeholt (damit er wieder da ist, wenn ich fertig bin) – ich sage nichts dazu, weil ich um den vollen OP- Plan weiss und sie das Zimmerchen wahrscheinlich wieder rasch wieder neu besetzen wollen.
Als ich aufgerufen werde, bin ich gar nicht so aufgeregt wie befürchtet. Ich erwähne kurz, daß ich zum wiederholten Male ohne Narkose punktieren lasse und daher die Spülkanüle und auch die Schmerzen kennen würde, was nickend zur Kenntnis genommen wird.
Mein professioneller Eindruck vom punktierenden Doc wird auch im weiteren Verlauf nicht geschmälert; unsere Unterhaltungen sind kurz und pointiert, ich werde nicht auf meinen Kritikbrief angesprochen und darf auch wieder mitschauen auf dem Ultraschallmonitor.
4 Follikel werden abgesaugt, gespült und erneut abgesaugt. Ich bin erleichtert. Bleibt noch abzuwarten, wie viele Eizellen wirklich drin waren.
Danach werden noch kurz Kompressen auf die Wunden gedrückt, das ist aber wesentlich weniger unangnehm als bei der 2. Punktion. Schon darf ich mich wieder ankleiden und schlage lächelnd den grünen Rollstuhl aus (dessen Fehlen im Patientenzimmerchen mir schon aufgefallen war), ich sei bislang immer gelaufen, warum soll ich denn dieses Mal geschoben werden?
Direkt nach der Punktion bekomme ich meinen Behandlungsplan zurück, in dem nicht nur die Progesterondosis, sondern auch schon wieder der Transfertermin eingetragen ist. Ich könnte deswegen erneut kotzen, das ist in meinen Augen genauso falsch weil verfrüht wie das Thema mit der Einnistungsspritze. Es ist im Nachhinein echt ein Schlag in die Magengrube, sowas zu lesen, wenn es nichts zum transferieren gibt.
Ich verbringe die Wartezeit mit einer Banane zum Frühstück und etwas Zeitung, doch innerlich bin ich extrem angespannt. Wie viele Eizellen sind es dieses Mal?
Kurz darauf klopft es und der Arzt teilt uns mit, das nur eine Eizelle gefunden werden konnte.
„Nur eine?“
„Ja, nur eine. Sie sind jetzt enttäuscht, oder?“
Ich so: „Ja klar!“
„Die Chancen stehen 50/50.“
Das war alles an Aufmunterung.
Ich werde noch gefragt, ob ich mir die Rückfahrt körperlich zutraue (WTF? Warum denn nicht? Ausserdem fährt doch der Mann?), bekomme mitgeteilt, dass ich am nächsten Tag mit dem Progesteron beginnen soll und dann sind wir entlassen.
Die Rückfahrt verläuft sehr schweigsam.
Ich bin innerlich irgendwie leer. Wieder so ein Tiefschlag. Ich wage gar nicht mehr zu hoffen, damit der Aufprall am Montag nicht so hart wird.
Eine Eizelle.
Genau wie bei der allerersten Punktion.
Es ist auch wieder genau der gleiche Wochentag mit der elendig langen Wartezeit bis zum Anruf am Montag.
Eine einzige Eizelle!!!
Dafür der ganze elendige Aufwand!
Ich kann irgendwie nicht mehr an die guten 50 Prozent glauben, nicht nach dem ganzen Scheiss, den ich bisher schon erlebt habe.
Ich fange innerlich schon an, Anzeigentexte für die Inserate der Erstausstattung zu formulieren und überlege, was ich für einen Flohmarktverkauf im Geburtshaus alles brauche (Klapptische, Rollstange, auch einen Stuhl oder haben die da welche? Wie geht das mit dem Vorfahren fürs Abladen usw). Die ganzen Babysachen weiter aufzubewahren ist ja nun sinnlos. Meiner Schwester biete ich direkt per WhatsApp an, sie durchzusehen.
Ich weiss jetzt schon, dass ich beim Zusammensuchen, Sichten und Waschen des ganzen Krams in Erinnerungen schwelgen und heulen werde, daß das aber wichtig zum Loslassen sein wird.
Nur eine Eizelle.
Der Rest des Wochenendes steht unter dem Zeichen Ablenkung.
03.02.2020 Punktion plus 2 Tage
Bisher hatte ich zwei Mal diesen Anruf nach Punktion zu erwarten: Einmal kam er um viertel vor 11 vom Doc mit einer negativen Nachricht, das andere Mal um fast Punkt 8 Uhr direkt vom Labor mit positiven News.
Mein Handy klingelt dann allerdings schon um 7:45 Uhr.
Kurz vorher hatte ich noch mit dem Mann gesprochen, wie wir das organisieren, sollte ich am nächsten Tag zum Transfer fahren dürfen.
Am Telefon ist jedoch meine eigene Praxis und keiner aus dem Labor, da weiss ich dann schon direkt Bescheid.
Nicht das Labor heisst schlechte Machrichten.
Wuuuussssch, mein Puls geht hoch, der Magen geht in die Kniekehlen.
Mein Doc erklärt mir, die eine Eizelle sei nicht nachgereift, so gerne man mir was anderes sagen würde. Eine Spermieninjektion hat also nicht stattgefunden und wird es auch nicht mehr. „Es tut mir leid“ heisst es. Mir fallen direkt die Kosten ein, die durch die nicht stattgefundende ICSI nicht ganz so hoch ausfallen dürften. Ein wirklich kleiner Trost, haben wir doch immer noch keine Antwort bzgl. unseres Widerspruchs und müssen mit 50% Eigenanteil rechnen.
Weder zieht es mir den Boden unter den Füßen weg, noch breche ich in Tränen aus. Es ist eher ein harter Klumpen im Bauch; ein schlechtes Gefühl, das nun bestätigt wurde.
Ich werde aber gefragt, wie denn das Gespräch mit dem Punktionsarzt und die Punktion an sich gewesen sei.
Nach meiner Schilderung entschuldige ich mich, dass ich der Praxis die Statistik versaut hätte, doch bekomme als Antort, dass das ja auch alles wissenschaftlich zu sehen sei und man ausserdem immer auf Seite der Patienten stehe.
Ich spreche an, dass ich schon ganz gerne mal eine andere Stimulation ausprobiert hätte, aber das Argument mit dem allerersten Transfer und der bereits im Vorfeld ausgefüllte Behandlungsplan hätten mich da schnell aufgeben lassen. Jetzt sei es ja müßig, darüber zu reden. Aber das Vorausfüllen des Behandlungsplans sei mir auch bei der Punktion wieder negativ aufgefallen; ein eingetragener Transfertermin ist ein Schlag ins Gesicht, wenn man bangen muss und es schlussendlich gar keinen Transfer gibt.
Das Gespräch war aber insgesamt sehr nett, sofern es in der Situation möglich war. Keine Versuche, uns zu einem Selbstzahlerversuch zu überreden. Meine Frage nach der Zusendung der letzten Laborergebnissen wurde sofort bejaht.
Ich gehe nach unten, gebe dem Mann Bescheid und dann machen wir uns auf den Weg zum Termin mit dem Buben.
Wir vergessen wichtige Unterlagen, sind beide neben der Spur und ich fühle mich wie in Watte gepackt.
Aus.
Vorbei.
Keine 12 Monate sind vergangen seit unserem Erstgespräch in „unserer“ Kinderwunschpraxis.
Kein ganzes Jahr, in dem ich unglaublich viel Zeit mit Briefen an und Telefonate mit den Krankenkassen verbrachte, in dem ich Dutzende Male in Wartezimmern saß, meine einzige gute Armbeuge fast zerstochen wurde und wir ganz viele Menschen in unserem Umfeld mit der Betreuung unserer Kinder belasteten.
12 lange Monate, in denen ich oft durch Himmel und Hölle ging. Die Grenze dazwischen war manchmal nur ein Anruf, eine Untersuchung oder ein Brief entfernt.
3 IUIs mit Clomifen, wo ich noch dachte, etwas „Anschubsen“ würde locker ausreichen.
4 Stimulationen für eine ICSI und ebenso viele Punktionen (alle auf eigenen Wunsch ohne Narkose).
Nur 4 Eizellen wurden dabei insgesamt gewonnen, was ein verdammt mieser Schnitt ist.
Und nur 1 einziger Transfer fand statt.
Keine einzige Schwangerschaft trat ein, auch nicht in den zumeist gut genutzten Pausenzyklen.
Ich laufe rum wie Falschgeld. Möchte direkt alles in Angriff nehmen und den ganzen aufbewahrten Babykram verkaufen, würde mich andererseits gerne für ein paar Tage ins Bett verkriechen.
Es ist vorbei.
Alles Hoffen, Bangen, Zittern.
Vorbei.
Alles danach gibt es hier zu lesen…