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Arbeit (Lohn-, Care-, Gefühls-), Teil 2


Hier gehts zum ersten Teil


Da war also dieses Jobangebot ganz in der Nähe gewesen, das kam aber direkt nach meinem Wiedereinstieg – die große Frage lautete nun, was tun?

Meine Pro- und Contra- Liste wurde lang, sehr lang.

Aber der kürzere Arbeitsweg und der Wegfall von etlichen Stressoren hatte einfach so viel Gewicht, dass ich mit mega schlechtem Gewissen einerseits und voller Hoffnung andererseits zum Vorstellungsgespräch ging.

Dieses verlief wie gedacht, nämlich mehr zum Abklopfen meiner tatsächlichen Absichten und der Konditionen – ich war heilfroh, mich auf alle Eventualitäten sehr gut vorbereitet zu haben (Lebenslauf, Gehaltswunsch, Arbeitszeiten, Urlaubstage, momentane Kündigungsfrist, aktueller Lebenslauf plus einige Arbeitsproben etc pp – viele, viele Stunden hatte ich am vorangegangenen Wochenende spätabends damit verbracht, alles zu recherchieren, zusammen zu suchen und auf Papier zu bringen).

Aus dem Gespräch ging ich mit einem Termin zum Probearbeiten, das schon eine Woche später stattfand: „Drum prüfe, wer sich [ewig] bindet“ und außer ein paar Stunden Zeit hatte ich nichts zu verlieren.

Dazwischen lohnarbeitete ich und schaute ich mir, als ich die einzigen kinderfreien Stunden der Woche hatte, die andere Software mal etwas genauer an. Nicht so aufwändig wie die, die ich seit über 20 Jahren benutze, und wahrscheinlich auch ein fachlicher Rückschritt. Dennoch kann ich nicht einfach so loslegen, aber es wird auch kein Ding der Unmöglichkeit sein, stellte ich fest.

Der (zugegebenermaßen nur halbe) Probearbeitstag war dann für mich zum Abklopfen und Anschauen einiger offener Punkte hervorragend geeignet (Kolleg*innen, Arbeitsplatzeinrichtung, struktureller Aufbau, Schulung etc pp).

Und ab da war mir dann klar, ich möchte wechseln!

Handschlag mit dem zukünftigen Chef und ein weiterer Termin zur Vertragsunterzeichnung wurde festgemacht. Mit klopfendem Herzen und meinem Füller in der Tasche erschien ich wieder ein paar Tage später an meinem dann zukünftigen Arbeitsplatz. Im Hinterkopf keine Zweifel mehr, aber immer noch ein schlechtes Gewissen.


Ausblick vom Wuppertaler Busbahnhof beim Umstieg. So schöne Lichtreflexe auf dem Pflaster!

Ein lohnarbeitsfreier Tag (sprich Vormittag, weil mittags schon wieder ein betreuungsintensiveres Kind zuhause war) ging dann für das richtig formulierte Kündigungsschreiben drauf und einige Abende schlief ich nur ganz schwer ein, weil ich nicht wusste, wie ich es meinen nächsten Vorgesetzten sagen soll.

Aber diese Gespräche schaffte ich mit nicht zu viel Emotionalität und auch ein wenig Professionalität.

Als dieser Punkt, mein persönlicher point of no return, überschritten war, atmete ich erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit wieder durch.

Dieses „schwanger sein mit einem neuen Job“ parallel zum so guten Wiedereinstieg war einfach nur heftig. Dazu (das hatte ich ja schon mehrfach erwähnt) Schneechaos, Streiks bei den Öffis und ständig rannte ich mit zwei offenen Apps durch die Gegend – eine für den Bus, die andere für den Zug.

Darüber hinaus ging meine ganze „Erholungszeit“ (also die wenigen Stunden ohne Lohnarbeit oder Kinderbetreuung) für den Wechsel drauf, zum anderen fühlte mich wie jemand, der einen anderen hintergeht.

Man hatte mir bei den Gesprächen mit den Vorgesetzten aber mehrfach zu verstehen gegeben, wie ungern man mich gehen lasse und dass man sich ja immer zweimal im Leben sehen würde. Die Türen ständen offen für mich.

Ui, damit hatte ich nicht gerechnet und mir wurde das Herz noch schwerer. Andererseits war es ein krasses Gefühl, gleich von zwei Arbeitgebern so begehrt zu werden.

Ich, die Mutter von und mit den 5 Kindern!!!


Gleichzeitig auch schon der Beginn, die restliche Zeit bis zum Abschied rückwärts zu zählen.

Die Wogen in meinem Inneren glätteten sich wieder (jetzt war ja alles aufs andere Gleis gestellt), die Zeitleiste des Projekts passte perfekt zu meinem Ausstiegsdatum (bzw. dem letzten Tag vor Resturlaub) und in einem günstigen Augenblick konnte ich es dann meinen engsten Kolleg*innen selber sagen, was mir sehr wichtig gewesen war – bevor es der Rest erfuhr.

Alle verstanden mich sehr gut, einige freuten sich regelrecht für mich, hatten sie doch auch mitbekommen, wie sehr mir die Fahrtwege bzw. die unsicheren Verbindungen das Leben schwer machen.

Weitere lohn- und carearbeitsfreie Tage gingen dafür drauf, meine Projektliste und meine Liste an Tätigkeiten, die ich gerne im Zeugnis erwähnt haben möchte, zu erstellen und auf den Weg zu bringen. Ich kümmerte mich um kleine Aufmerksamkeiten für die nächsten Vorgesetzten, schaffte es neben schnupfigem Kleinkind diese nicht nur umzusetzen/ zu besorgen, sondern auch noch die überlegten Abschiedsmuffins zu backen.

Viele, viele Muffins.

Eine ganze Kompanie Möhrenmuffins.

Es war gefühlt GAR keine Zeit zum Luft holen gewesen, da war dann schon der Tag da, an dem ein Abschieds- Lunch mit der Abteilung für mich organisiert worden war, an dem ich die Muffins in die Teeküche stellen und meine Kleinigkeiten übergeben wollte – nach einer Nacht, in der ich dann vor Aufregung schlecht schlief und zudem früh wieder wach war. Oben drein streikte Mal wieder der ÖPNV in Wuppertal.


Meine neue Jacke war rechtzeitig fertig geworden. Sie und meine Aufregung würden mich durch den Tag bringen. Und Kaffee – viel Kaffee.

Mit gemischten Gefühlen kam ich im Büro an. Letzte Male und so.

Die Muffins kamen mega gut an, aber die Zeit bis zum Lunch schien einerseits viel zu langsam zu vergehen und dann kam ich doch fast zu spät, weil ich mich festgequatscht hatte bzw. ein Flurgespräch ins andere überging.


Knusperdünne Pizza beim Italiener

Es gab von meiner Seite aus in der großen Runde nicht mehr viel zu erzählen, denn ich hatte meine Gründe ja schon offen auf den Tisch gelegt. Ich bekam eine sehr feine Ansprache von der Teamleitung (die mich feste schlucken ließ) und nochmals das Angebot „Du weißt ja, hier stehen Dir alle Türen offen!“.

Es gab zudem ein paar Abschiedsgeschenke und -worte auf einer Karte von den Kolleg*innen, ein paar bekamen noch meine private Handynummer und wenig später saß ich im Zug und war immer noch geplättet von soviel Aufmerksamkeit!

Am folgenden Tag standen dann nur noch ein allerletztes Aufräumen und diverse administrative Dinge im Büro an, viele Kolleg*innen sah ich schon gar nicht mehr weil Homeoffice, Meeting oder Dienstreise und plötzlich lief ich zur Bahn und konnte gar nicht realisieren, dass es nun der wirklich allerletzte Arbeitsweg sein würde.

Also ich dort anfing, hatte ich drei Kinder und direkt in der Probezeit eine Fehlgeburt zu verkraften.

Ich lernte wahnsinnig viel, fachlich wie auch menschlich.

Ich bekam etliche Neuerungen und auch Führungskräftewechsel im Unternehmen mit, die meinen Arbeitsplatz alle positiv veränderten.

Mittlerweile habe ich fünf Kinder, lebe im eigenen Haus und sehe viele Dinge noch ähnlich wie früher, aber einiges auch ganz anders. Zudem hat sich der Arbeitsmarkt in vielerlei Hinsicht geändert.

So richtig gesackt ist das alles immer noch nicht.

Im Augenblick bin ich froh, dass dieser dann doch sehr wilde Ritt nun vorbei ist und ich ein paar Tage „ausruhen“ kann.

Bevor das Abenteuer am neuen Arbeitsplatz beginnt: Neue Software, neue Routinen, neue Strukturen und neue Kolleg*innen.

Ich hoffe so sehr, dass es die Anstrengungen der letzten Wochen wert war!


[Nachtrag: Ausruhen? „Haha!“ dachten sich die Viren. Zuerst ist die Kurze wieder verrotzt, dann ist so viel KiTa- Personal erkrankt, dass es nur Notbetreuung gibt.]


6 Gedanken zu „Arbeit (Lohn-, Care-, Gefühls-), Teil 2“

  1. Herzlichen Glückwunsch zum neuen Job.
    Vielen Dank für’s Mitnehmen und ich bin sehr gespannt, was du weiter berichtest.
    liebe Grüße!

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