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Der 02.08., ein Montag in den Sommerferien, begann eigentlich ganz normal. Nachts hatten wir im Familienbett geschlafen und mein Babymädchen auch ein paar Stunden neben mir. 7 Monate war es gerade erst geworden. Wir stillten wie üblich alle 2 bis 3 Stunden, im Liegen und auch in der Wiegehaltung. Wie immer wurde ich schon davon wach, das mein Kind unruhig wurde, legte es an und dann schliefen wir alle weiter.
Stillstreik Tag 1
Am Morgen weckte uns ein anderes Kind und wir standen alle zusammen auf – wie sonst auch.
Gegen halb 10, etwa 2 bis 3 Stunden nach dem letzten vermuteten Stillen, bot ich meinem etwas nöligen Baby die Brust an, doch es drehte im letzten Augenblick den Kopf weg. Auch bei der Wiederholung. „Nun gut,“ dachte ich, „irgendwas anderes scheint gerade störend oder wichtiger“.
Doch dieses Spielchen wiederholte sich in den nächsten Stunden häufiger, zwischendurch schlief mein fittes, motziges, weinerliches oder abenteuerlustiges Kind auf mir oder im Kinderwagen.
Ich merkte den zunehmenden Druck in der Brust und auch meinen zunehmenden Unmut, warum mein Kind denn nicht trinken will.
Denn mehr als ein bis zwei Breimahlzeiten gab es noch nicht pro Tag (selbst die verursachten manchmal noch ganz schöne Verdauungsprobleme), so stillte ich eigentlich noch fast voll.
Ich erinnerte mich allerdings dunkel an solche eine Phase bei den älteren Geschwistern damals, die aber nach wenigen Stunden, spätestens aber im Tiefschlaf wieder vorbei gewesen waren. Ich zog mich also mehrfach mit meinem Babymädchen ins ruhige Schlafzimmer zurück, versuchte es im Halbschlaf und auch im Tiefschlaf – aber nichts zu machen.
Anbieten von Brei oder Wasser zögerte ich hinaus – ich wollte ja endlich Milch loswerden und ihren Bauch nicht mit anderem füllen. Doch je mehr Zeit verstrich, desto mehr Angst bekam ich, dass sie nicht ausreichend Flüssigkeit bekommt. Andererseits: Warum sollte sie vor dem wirklich reichlichen Buffet verhungern?!
Wenn Ihr auf die Bilder der Tweets klickt, solltet Ihr bei Twitter rauskommen und es besser lesen können
Am Nachmittag kontaktiere ich meine Wochenbetthebamme. Die meldet sich fast prompt zurück, allerdings aus ihrem Urlaub. Sie verweist mich an ihre Kollegin, die war bei der Geburt zweite Hebamme gewesen und hatte auch eine Vorsorge gemacht. Diese meldet sich dann etwas später. Wir gehen verschiedene möglichen Ursachen und auch Lösungswege durch, die ich aber alle selbst schon auf dem Schirm hatte. Sie beruhigt mich etwas, dass das Baby schon nicht so schnell verhungert oder verdurstet, mahnt aber, dass ich auf mich schauen soll und Milch loswerden muss.
Das Baby schläft sehr viel. Und weint auch öfter. Der Mann schukkelt und schiebt den Kinderwagen, ich kann das gerade nicht.
Die Milchflasche mit meiner Milch verweigert mein Kind genauso wie die mit Pre- Milch. Mittlerweile bin ich zum Bechern übergegangen, was aber für nachts scheisse ist, weil einiges daneben geht und viel Luft gschluckt wird. Immerhin am Nachmittag war die Windel nochmal etwas nass gewesen, doch reicht es wirklich aus, was sie momentan aufnimmt? Und warum schläft sie tagsüber so viel? Wird sie nachts nur schreien? Oder wird sie nachts plötzlich richtig schlapp, weil sie krank ist?
Ich habe Angst vor der Nacht, will nicht in einem nassen Milchsee aufwachen, wünsche mir trotz Dolly- Brüste etwas Schlaf und habe dennoch Angst, dass mein Kind nicht genug Flüssigkeit zu sich nimmt.
Stillstreik Tag 2
Mit meiner eigenen Handpumpe bekomme ich kaum etwas heraus, denn der Milchspendereflex wird nicht ausgelöst. Über dieses tolle Internet wird mir eine Handpumpe einer anderen Marke angeboten und auf meine Bitte hin sogar morgens früh an die Haustür gehangen <3
Ich bin einerseits todunglücklich, andererseits stinkewütend und zwar auf mein eigenes Kind, das mich gerade so auf der Milch sitzen lässt. Zumal es mir ständig an die Brüste kommt, wenn ich es auf dem Arm habe oder mit ihm (einschlaf-)kuscheln will.
Auaaaa!!!
Leider bekomme ich auch mit der Handpumpe von Medela keinen Milchspendereflex ausgelöst und werde nur recht wenig Druck los.
Ich bin angepisst und mega gereizt, denn ich will, dass das jetzt mal ganz schnell vorbei ist! Ich tigere herum und habe nach wie vor große Angst vor einem richtigen Milchstau mit Fieber und Gelenkschmerzen.
Ich schreibe auch nochmal mit meiner Hebamme, die mir dringend zur Entlastung rät. Oxytocin sei das Zauberwort, also Ruhe und Liebe, das sei wichtig für den Milchspendereflex und dann werde es laufen. Haha! Ich kann hier zuhause weder für Ruhe sorgen (Sommerferien! Alle Kids zuhause!), noch verspüre ich gerade viel Liebe… eher Verzweiflung!
Wieder über Twitter naht Hilfe: Mir wird die Kontaktaufnahme zur Stillbegleitung durch Ramona Noll dringenst ans Herz gelegt. In ihrer Twitter- Biografie steht „Systemische Familien-Beratung & Therapie || Stillbegleitung“ und sie berät Eltern und Familien in vielen verschiedenen Lebenslagen (während einer schwierigen Schwangerschaft, nach einer traumatischen Geburt, am Anfang und zum Ende der Stillbeziehung und während der Beikosteinführung, aber auch zu bedürfnisorientertes Familienleben, Kinder- und Elternschlaf etc pp.). Leider übernehmen die meisten Krankenkassen diese Kosten nicht, dabei sind solch fachlich ausgebildeten Berater*innen viel mehr auf diese Themen spezialisiert als z.b. eine Hebamme.
Ich frage ganz vorsichtig bei Ramona an und schon bald darauf telefonieren wir. Ich fühle mich wahnsinnig gut aufgehoben und verstanden in meiner Not mit Großfamilie im Background. Wir besprechen verschiedene mögliche Ursachen und (Lösungs-) Wege und vor allem auch, daß ich wirklich eine elektrische Pumpe ausprobieren sollte, um die viele Milch loszuwerden – egal, ob ich nun komplett abstillen oder später wieder neue Stillversuche unternehmen möchte.
Die Pumpe organisiere ich dann telefonisch über den Gyn und mit der Apotheke vor Ort, wo der Mann nach dem Durchfaxen des Rezeptes die Pumpe schon mitnehmen kann. Das Original kann er am nächsten Morgen in der Praxis abholen und in der Apotheke nachreichen.
Zum Glück geht das Zusammensetzen der Komponenten recht einfach und ich weine leise, als die sacht brummende Maschine endlich den Milchspendereflex auslösen kann und brav ihre Arbeit tut. Endlich Erlösung! Endlich weniger Druck und auch weniger Angst vor Fieber, Gelenkschmerzen und fettem Milchstau!
Ich pumpe nachmittags 150 + 100ml, am späten Abend 100 + 40ml ab.
Die Milch bekommt die Kleine teils aus dem Becher, teils stelle ich sie in den Kühlschrank.
Stillstreik Tag 3
Die ganze Nacht war ich ohne Abpumpen ausgekommen und kann es bis 9 Uhr am Morgen herauszögern. Da bekomme ich auf beiden Seiten auch nur 40ml zusammen, genauso wie 12 Stunden später.
Allerdings zucke ich tagsüber immer zusammen, wenn sich ein spontaner Milchspendereflex einstellt. Ich bin gereizt und verdammt unglücklich in meiner Situation.
Mir ist das alles nicht geheuer und ich rufe doch den Kinderarzt an, damit er sich die Kleine mal ansieht. Die will weiterhin nicht stillen und dreht kurz vor dem Andocken immer wieder den Kopf weg. Mit der Milchfalsche läuft es tagsüber ähnlich, geht aber etwas besser im Halb- oder Tiefschlaf. Vor allem will ich den ärztlichen Check auch, damit ich mir nicht mehr so viele Sorgen mache, ob ich nicht doch etwas übersehe beim Kind. Für den nächsten Morgen ganz früh bekommen wir einen Termin.
Mit meinen körperlichen Beschwerden kann ich nun besser umgehen (auch wenn es teilweise wahnsinnig nervt), nun fordert scheinbar meine Seele ihre Aufmerksamkeit. Oder sind es nur die Hormone? Ich fühle mich überfahren, denn ich hätte gerne mit- entschieden, wann Schluss ist mit meiner allerletzten Stillzeit!!! Gerade jetzt mit der Pandemie und über den Winter hätte ich mir Stillen weit über den 1. Geburtstag hinaus vorstellen können. Hätte, hätte, Fahrradkette!
Ramona, die Stillberaterin, meldet sich nochmals und horcht nach, wie es uns geht.
Stillstreik Tag 4
Ich muss nur ein einziges Mal abpumpen und bekomme je Seite etwa 30ml heraus.
Der tagelange (familiäre) Ausnahmezustand fordert mittlerweile seinen Tribut. ich fühle mich fremdbestimmt und beschnitten wie im Wochenbett.
Die folgenden Tage
Ich mache so weiter, d.h. ich pumpe nur ab, wenn es wirklich nicht anders geht. Die Abstände verlängern sich massiv (36h/ 48h), aber die Mengen bleiben in etwa gleich (30-50ml gesamt). Ein einziges Mal kann ich etwas Ausstreichen, da der Milchspendereflex unter der Dusche kommt. Ansonsten tut die elektrische Milchpumpe ihren Dienst. Der Milchspendereflex kommt immer seltener, dafür tut es dann ganz schön weh. Ich fühle anfangs immer noch Knubbel in der Brust, die ich beim Abpumpen ausmassiere. Doch sie werden alle paar Tage kleiner. Dabei denke ich an die Rinder, die liebevoll massiert werden, weil so ihr Fleisch besser schmeckt und ach, mein Hirn flippert immer noch ein bisschen hin und her. Aber mir geht es besser; ich bin jetzt hauptsächlich erleichtert, mit einem blauen Auge bei diesem abrupten Still- Ende davon gekommen zu sein.
Die Versorgung des Babymädchens spielt sich auch immer mehr ein: Sie akzeptiert zunehmend die Milchflasche mit Pre am Abend und in der Nacht, isst tagsüber ganz gut Brei aus dem Gläschen und trinkt dazu Wasser aus dem Trinklernbecher. Meine abgepumpte Milch schütte ich fast komplett weg, denn das Erwärmen und Bechern ist nicht nur immer mit sehr viel Aufwand und Kleckerei verbunden, sondern wird auch öfter nach wenigen Schlucken verweigert.
Am Abend schläft das Baby wie ganz früher auf mir ein, ich wage mich dann kaum zu bewegen, aber ein bisschen Sofazeit mit dem Mann will ich mir nicht nehmen lassen. Ab und zu klappt es jedoch auch im Kinderwagen.
Knapp 2 Wochen nach dem letzten Stillen
Nach 5 Tagen komplett ohne Abpumpen muss ich dann doch noch einmal die Maschine anschalten. Es hatte fies hinter den Brustwarzen gedrückt. Obwohl ich insgesamt nur 10ml sammle, ist danach der Druck weg.
Die Kleine wollte wirklich nie wieder an die Brust, ich hatte es ja schon direkt am Anfang geahnt. Wie krass! Mit 7 Monaten!
Es zwickt und zwackt in meinem Unterleib, manchmal krampft es leicht wie sehr schwache Nachwehen. Ich will das in einer ZyklusApp notieren, vergesse es aber wieder.
Ich trinke den ersten Schluck Weisswein nach 1.5 Jahren und es schmeckt fantastisch!
Ebenfalls fantastisch: Ich kann mich selbst kaum noch bzw wieder gut riechen! In der ganzen Stillzeit fand ich meinen Schweißgeruch sehr aufdringlich, zumal ich auch mehreren Wochen nach der Geburt immer noch viel schwitzte. Ich hatte nachher die richtig harten Sachen in Benutzung: HidroFugal als Stick und als Spray und ein TripleDry- Deospray. Das feste Deo, das mir empfohlen wurde und ich so mochte, brachte leider nix gegen das Nässen und achselnasse Shirts riechen dann irgendwann einfach. Aber je länger das letzte Stillen zurück liegt, desto weniger stark schwitze und rieche ich mich selbst!
4 Wochen nach dem letzten Stillen
Mittlerweile schläft die Kleine beim Fläschchen super in meinen Armen ein, tags wie am Abend und trinkt auch Mengen, die ich von den anderen Kindern in Erinnerung hatte. Ich bette sie dann um und kann über das Babyphone hören, wenn sie wieder wach wird. Oder ich biete ihr nochmal Milch an, wenn ich selbst ins Bett gehe. So hatten wir das beim Stillen auch immer gemacht. Statt Gläschen gibt es nun viel öfter etwas vom Familientisch oder zumindest einzelne Komponenten. Auch der Papa darf Milch oder Brei füttern und auch die Schwestern geben ihr gerne mal etwas vom Löffel.
Ich kann so nun auch mal ein paar Stunden alleine von Zuhause weg und finde das super!
Weniger toll ist die nun leicht verschobene Masseverteilung meiner Körpermitte: Während ich oben herum schon fast wieder so wenig wie vor der Schwangerschaft habe, sind meine Hüften noch sehr breit und auch der Bauch ist noch im 4. Monat. Die ganzen schönen Kleider sitzen alle gar nicht und auch bei meinen Jeans habe ich oft noch Probleme. Ich hoffe sehr, dass sich das irgendwann auch noch gibt. Dafür ersticke ich nun in Still- Oberteilen, die ich plötzlich gar nicht mehr brauche. Leider fehlt die Zeit, um alles geordnet wegzupacken, aber ich räumte immerhin schon ein wenig um.
Es kostet mich ein bisschen Überwindung, die Milchpumpe wieder zurück zu geben. Es war ein beruhigendes Gefühl, sie als Backup in meinem Regal zu wissen. Doch eine Woche nach ihrem allerletzten Einsatz ist es dann soweit und ich schliesse auch mit diesem Kapitel ab.
26 Tage nach dem letzten Stillen habe ich ein komisches Gefühl, das sich dann bestätigt: Mein Zyklus hat wieder eingesetzt. Das erste Mal Menstasse nach so langer Zeit fühlt sich zuerst ungewohnt an, ist dann aber wie Fahrrad fahren: es läuft ganz schnell wieder reibungslos.