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Geburtsbericht Kind 5: Schneeflöckchen, wann kommst Du?

Noch am Tag vor der Geburt Ende Dezember ging es mir gar nicht gut, vor allem psychisch: Seit Beginn der Hebammen- Rufbereitschaft, d.h. seit Ende November war ich in ständiger Alarmbereitschaft gewesen. In den letzten Wochen, vor allem seitdem der errechnete Termin am 21.12.2021 überschritten war, hieß es seitens Gyn und Hebamme immer wieder “Oh oh, das braucht nicht mehr viel und dann ist sie da!”, aber die Winterferien und Weihnachtstage kamen (und gingen wieder) und damit steigerte sich so ganz ohne Besuche und Ablenkungsmöglichkeiten auch ein fieser Lagerkoller hier zuhause – doch es tat sich so gut wie nix in meinem Bauch.

Ein paar Kontraktionen, manchmal auch regelmäßiger, das war alles. Allerdings musste ich mit immer stärkeren Einschränkungen leben wegen diverser Krampfadern, vor allem die im Genitalbereich.

Die zunehmenden Kontrollen wegen der Terminüberschreitung waren die einzige Ablenkung und doch immer wieder nur dasselbe in Grün: Super CTG, super Hügel darauf, super Befund mit 2cm Muttermund, super Startposition.

An ET+8 musste ich sogar nochmal zum Gyn, bei dem ich am späten Nachmittag zum Termin in die Praxis kam, wo mich die Damen an der Theke gar erstaunt anschauten „Also mit Ihnen hatten wir ja eigentlich nicht mehr gerechnet! Wir dachten, Sie kuscheln schon!“

Ich wusste, es war nur nett gemeint, aber es zog mich mental ganz schön runter.

Dann kam die ärztliche Aufklärung über das übliche Procedere, eigentlich in 2 Tagen (spätestens aber in 4) einzuleiten. Ich wusste aber von meiner Hebamme, dass das eben nur so üblich sei, aber keine explizite Vorschrift, und sie auch bis ET+14 warten würde, wenn die Werte weiterhin so gut sind. Und das waren sie, wie der Ultraschall bestätigte.

Aber mir ging es dann am Abend von der Psyche her gar nicht mehr gut und ich überlegte mit dem Mann hin und her, ob ich nicht doch medizinisch nachhelfen lassen soll (mittlerweile hatte ich ja schon fast alles an Haus- und Hebammenmitteln durchprobiert: Milchreis mit Zimt, scharfes Essen, 2x Eipollösung, Eisenkrauttee, Nelkenöltampon). Sogar das Bett hatte ich schon frisch bezogen!!!

Ich schrieb das so meiner Hebamme, mit der ich daraufhin nochmal telefonierte. Eine Einleitung sei kein Zuckerschlecken, schon gar nicht momentan unter Corona, meinte sie. Ich wäre alleine in der Klinik (der Mann dürfe mich zunächst nicht begleiten), müsste ständig für Kontrollen ans CTG und würde dann dort auch in der Austreibungsphase (sprich ab 8cm Muttermundöffnung) ans Dauer- CTG kommen. Dazu die ganzen Corona- Beschränkungen und auch – Risiken. Dem Kindchen ginge es doch so gut, da könne man wirklich noch ganz einfach abwarten, wenn ich möchte. Es spräche rein gar nichts dagegen.

Ich kam mit dem Mann zu keiner Lösung ausser der, dass ich mich jederzeit für eine Einleitung entscheiden kann.

Ich ging also ins Bett, weder Fisch noch Fleisch, mit dem Gefühl, eine Wahl zu haben, wenn auch die zwischen Pest und Cholera.

Ich weiss nicht, ob es das Gefühl einer Mitbestimmung nun war oder einfach der Zeitpunkt, der reif war, aber ich schlief ganz gut und am frühen Morgen wurde ich wach von einem harten Bauch, der anders weh tat als sonst. Ich schlich mich um 5:45 Uhr aus dem Schlafzimmer, ging gross zur Toilette und wagte kaum mich zu freuen, hatten doch alle Geburten mit Durchfall begonnen. Ich war ausgeruht, noch nicht entnervt von den Kindern und wenn nicht jetzt, wann wäre ein perfekterer Zeitpunkt?!

Wieder „Bauchweh“, wieder Stuhlgang.

Um kurz vor 6 beginne ich die Kontraktionen zu messen, die ich nun endlich als Wehen bezeichnen kann.

Ich wische ein paar Tränen weg, die mir vor lauter Erleichterung in die Augen treten.

Es geht endlich los!

Gleichzeitig habe ich Angst, dass ich dem Ganzen nicht gewappnet sei.

Und schon wieder eine Wehe, so alle 3 bis spästestens 6 Minuten und mit ordentlich Kraft dahinter.

Der eh schon wache Mann reagiert prompt auf meinen Startschuss, macht sich und die jetzt ebenfalls wachen Kinder fertig (die hatten eh fast alle bei uns im Bett gelegen und waren munter geworden, als ich zum WC ging), während ich weiter die Kontraktionen veratmen und mich ganz um mich selbst kümmern kann.

Ich bekomme mit, wie sie auf der anderen Etage den Frühstückstisch decken.

Um 6:20 Uhr rufe ich, aufgestützt auf die hohe Arbeitsplatte über der Waschmaschine, meine Hebamme an: es geht los! Sie klingt zum Glück sehr munter und war wohl schon wach. Sie freut sich sehr und wir verabreden uns für gleich im Geburtshaus, da ich im Vorfeld mehrfach meine schnellen Geburtsverläufe thematisiert hatte. Ich glaube, eine Wehe bekommt sie mit (in der Wehenapp ist nämlich der letzte Abstand recht groß).

06:28 Uhr: Ich schicke ihr noch einen Screenshot meiner Wehenapp hinterher.

Screenshot meiner einfachen Wehenapp. Die Wehen haben fast von Anfang an nur 3 bis 4 Minuten Abstand

06:32 Uhr Hebamme: „Ist doch total egal. Du weißt wann Geburt beginnt :) ich freu mich“ Und direkt danach „Wenn zu viele Wehen und ich zu dir kommen soll sag’s bitte“

06:34 Uhr ich: „Ne, erstmal Durchfall“

06:37 Uhr Hebamme: *börks*

Ich registriere, wie der Mann die Kinder anzieht. Wir sprechen uns kurz ab, dass er mit ihnen abfahrbereit im Auto auf mich warten wird. Zum Glück hatten wir alles Gepäck (meinen Rollkoffer mit Wäsche und Waschzeug für eine etwaige Verlegung ins Krankenhaus sowie das Erstlingsoutfit) plus Babyschale schon Tage bzw. Wochen vorher im Auto deponiert.

So langsam merke ich, dass mein Darm leer ist und versuche, an das Wenige zu denken, was ich noch erledigen muss: Schlafshirt aus, frische Hose und frisches Shirt an. Straßenschuhe nicht vergessen. Mantel an. Die Wehen sind schon gut kräftig, lassen mich nur atmen und alles um mich herum ausblenden.

06:47 Uhr: „Blut, frisch, hellrot“ schreibe ich meiner Hebamme, da fahren wir gerade los. Ich hatte es beim letzten Abwischen entdeckt und in meine Vorfreude mischt sich nun wieder ein wenig Angst. Der Muttermund öffnet sich, wahrscheinlich wieder so rasant wie bei den anderen Kindern. Da hatte ich diese Zeichnungsblutung ebenfalls zuhause und war bei der ersten Untersuchung maximal eine Stunde später im Geburtshaus schon vollständig eröffnet.

06:47 Uhr: „Sitzen im Auto“ informiere ich sie weiter.

06:48 Uhr antwortet meine Hebamme: „Schnelle Eröffnung…. in 3min im Geburtshaus“

06:52 Ich: „Ich brauche was zu trinken. Und Apfel oder so. Und Spuckschüssel. Bin noch nüchtern bis auf Wasser“

Bei den anderen Geburtshausgeburten hatte ich immer noch zuhause spucken müssen, war aber nie ganz nüchtern losgefahren. Bei June und Sonnenkind war es am späten Abend losgegangen; selbst beim Sohn mit seinem Blasensprung gegen 7 Uhr morgens hatte ich noch versucht zu frühstücken. Dafür war aber heute keine Zeit mehr gewesen und beim Verlassen des Hauses hatte ich nicht mehr daran gedacht. Aber auch noch nicht gespuckt.

Nach etwa 25 Minuten Fahrt erreichen wir das Geburtshaus, da muss es so 7:05 Uhr sein. Auf dem Weg dorthin schleichen wir zunächst einem Fahrschulauto hinterher, das immer deutlich unter der Geschwindigkeitsbegrenzung bleibt. Oh mein Gott!!! Außerdem sind die Kinder aufgeregt und andererseits etwas albern, weil so richtig passieren tut ja nix, auch wenn die Schwester nun angeblich ganz bald auf die Welt kommen soll.

Die Wehen im Auto sind wieder fies und ich versuche einfach nur an nichts zu denken, damit die Zeit ganz schnell rum geht.

Ich steige als erste aus, im Eingangsbereich kommt mir meine Hebamme entgegen. Sie hilft beim Ablegen der Jacke und will sich bücken, um mir die Schuhe aufzuschnüren. Doch in die war eh nur hineingeschlüpft. Ich veratme eine kleine Wehe direkt am Kaffeeautomaten, dann gehen wir in den großen beerenfarbenen Geburtsraum. Das Wasser plätschert in die Wanne, Kerzen leuchten in der verspiegelten Wanddeko.

Ich weiß zuerst nicht, wohin. Gehe zum Wickelplatz, die Höhe hatte sich bei anderen Geburten auch schon als gut erwiesen. Doch ich habe nicht genug Platz, um die Arme aufzulegen bei der Wehe. Da ist sie schon. Autsch!

Die zweite Hebamme ist auch schon da, begrüßt mich leise. Ich höre den Mann ankommen, der Plan war, dass er die Kinder nach Möglichkeit noch zu Eltern von KiTa- Freunden bringt, sofern Zeit ist. Unsere eigentlichen Babysitter waren wenige Tage vorher wegen einer Quarantäne und MagenDarm leider ausgefallen.

Im Eingangsbereich höre ich es trampeln und lärmen.

Ab dieser Stelle verschwimmen meine Erinnerungen etwas…

Ich habe die nächste Wehe, ziehe mich danach wohl schnell unten herum aus und liege dann kurz auf dem Bett zur Untersuchung. Die Herztöne der Schneeflocke sind super und beim Tasten des Muttermundes ruft meine Hebamme den Mann ganz schnell wieder zurück: Er solle besser hier bleiben, damit er die Geburt nicht verpasse. Ich glaube, dass ich etwas von 7cm und rasende Eröffnung hörte.

Die Kinder dürfen in einem Kursraum spielen, dort ist aktuell sowieso kein Betrieb wegen Corona und ein anderes Paar wird wegen Geburt auch nicht mehr erwartet. Ich habe etwas Angst wegen des Buben, der ja ganz schön zerstörerische Kräfte entwickeln kann und denke mir dann nur: „Darum soll der Mann sich kümmern, ich hatte ihm mehrfach gesagt, dass ich 1000 Mal lieber alleine gebäre als mir Sorgen wegen der Kinderbetreuung zu machen!“

Er wird im Laufe der Geburt mehrfach zwischen beiden Räumen hin- und herpendeln, genauso wie die Kinder auch. Ich fühle mich davon aber kaum gestört; einmal habe ich ihn wieder weggeschickt, damit er nach den Kindern schaut. Wann und wie lange er genau dort oder bei mir war, habe ich gar nicht so genau mitbekommen, denn ich war mit den Wehen vollauf beschäftigt bzw. mit einem stark gezuckerten Tee, den ich den Pausen vorsichtig schlürfte.

Der beerenfarbene Geburtsraum im Geburtshaus (Fotos stammen von einer Vorsorge ein paar Tage früher)

Dabei bin ich in der großen Gebärwanne, die mitten im Raum steht. Sie war für mein Empfinden ziemlich schnell voll gewesen und es war eine sensationelle Erfahrung, nachdem ich mich bei der allerersten Geburt im Krankenhaus in einer stinknormalen Standard- Badewanne einfach nur eingeengt und unwohl gefühlt hatte. Mir ist es in diesem Geburtszimmer auch scheiss egal, splitterfasernackt zu sein!

Das angebotene Handtuch, was man mir auflegen will, lehne ich ab, weil mir überhaupt nicht kalt ist und ich gerade nichts an mir haben kann.

Ich weiss zuerst gar nicht, wie ich mich bei diesem vielen Platz im Wasser lassen soll. Die ersten 2 oder 3 Wehen liege ich auf dem Rücken mit leicht erhöhtem Oberkörper, doch es drückt unter der Wehe fies am Steißbein.

Ich rutsche runter zum Fußende und wechsle in den Vierfüßler, der sich schon besser anfühlt, doch in den Wehenpausen muss ich im Kniestand zunehmend meine Hände kreisen, die beim Aufstützen nicht nur kribbeln, sondern ganz schnell taub werden. Aufstützen mit den Fäusten hilft auch nicht, es ist nach wie vor ein fieses Taubheitsgefühl. Mittlerweile darf ich sogar schon mitschieben – ich weiss gar nicht, ob ich nochmal untersucht wurde, aber ich weiss, wohin ich schieben soll. Doch leider brennt es immer wieder fies hinten am Steißbein, ich komme nicht dagegen an.

Bei meinem Blick auf die Uhr gegen 7:30 Uhr (also eine knappe halbe Stunde nach unsere Ankunft) rechne ich still nach, dass noch etwa 1,5 Stunden fehlen bis zum Durchschnitt der anderen Kinder – wie soll ich das bitte aushalten?!?!

Ich greife mir das Tuch, das über dem Wasser hängt. An das kralle ich mich einfach mit beiden Händen, wenn die nächste Wehe heranrollt. Der Po bleibt dabei weiterhin unter Wasser.

Aaaah, kein taubes Kribbeln mehr!

Auaaaah! Der Steiß!!!

Doch weder eine Massage noch eine andere Berührung kann ich ertragen.

Die Kinder stecken kurz den Kopf zur Tür herein, ich sehe sie und sehe sie doch nicht. Wir hatten viel über das Thema Ausnahmezustand Geburt gesprochen und mehrfach die Folge bei der Sendung mit dem Elefanten über die Hausgeburt angeschaut.

Jemand begleitet sie wieder in ihren Raum zurück und ich frage in der nächsten Wehenpause, ob ich auf den Gebärhocker vor das Bett wechseln darf.

Ich merke nämlich, wie die Wut fehlt, die mich die ganzen letzten Tage begleitet hatte; die Wut darauf dass es endlich vorbei sein soll mit diesem Warten und auf die ich so sehr gehofft hatte, daß sie mich gut durch diese Geburt bringt. Ich merke aber auch, wie mein Mut schwindet, weil ich immer und immer wieder gegen dieses schmerzende Steißbein andrücke und es doch nicht schaffe, noch weiter hinein zu gehen in den Schmerz.

Wo ist das „Tor“, das sich bei den anderen Kindern immer „öffnete“ und durch das ich den Kopf drücken musste?

Ich will nach hause, habe keinen Bock mehr, ich kann das nicht!!!!

Schon wird mir geholfen beim Aufrichten und Ausstieg aus der Wanne, damit die Schwerkraft auf dem Hocker bei den kommenden Wehen mehr mithelfen kann. Ich werde etwas abgetrocknet (während ich mir ziemlich doof dabei vorkomme) und die andere Hebamme richtet die dicke Matte und den Hocker (und bestimmt noch so einiges anderes) vor dem Fußende des Bettes.

Der Mann ist (wieder?) da, sitzt hinter mir auf dem Bett, ich nackend auf dem Hocker, meine Hebamme kniet vor mir, die andere befindet sich irgendwo dahinter und die erste Wehe ist mal wieder nichts Richtiges, weil es auch hier im Steiß verdammt weh tut.

Und da ist diese nächste Wehe, kräftig und stark, ich hänge mich ans Tuch, das wie von Zauberhand vor mir auftaucht (oder schon vorher da war?), wieder rutscht das Köpfchen tiefer und wieder wird das Brennen am Steiß unerträglich, doch ich drücke nun weiter, jaulend und anschwellend kreischend, ziehe mich fast schon mit den Armen hoch und mindestens eine Pobacke in die Luft, drücke unter anfeuernden Ausrufen der Hebammen „Jaaaah!“ und „Du machst das super!“, die sich aber schnell in ein „Langsam! Mach langsamer!“ verändern, doch die Wehe hört und hört einfach nicht auf, ich drücke ohne es zu wollen weiter, ES drückt von alleine weiter nach unten und dann ist da der Kopf und endlich auch das schon lange erwartete Plitsch-platsch, diese Naturgewalt macht immer noch weiter und auch der Körper ist dann einfach da und dann sacke ich nur noch zusammen, lasse mich mit geschlossenen Augen nach unten und hinten fallen in die Arme des Mannes.

Geschafft.

Ich höre ein erstes Quäken und realisiere dann eine leicht angespannte Stimmung, doch bin noch zu sehr mit mir selbst beschäftigt bzw. mit meiner eigenen, veränderten Körperlichkeit. Ich bekomme mit, wie eine Hebamme zur anderen sagt „Absaugen!“ und mache die Augen wieder auf, sehe aber zunächst nicht viel, weil sich alles zu meinen Füßen abspielt und ich immer noch etwas nach hinten geneigt sitze.

Die Kleine quäkt deutlicher.

Aber die Uhr auf dem Wickeltisch sehe ich, es ist kurz nach acht.

Ich höre die Hebammen lachen und leise gurren „Vorsichtig kleine Maus, wir wickeln Dich erst noch fertig aus“ und während mir die Schneeflocke dann in den Arm gereicht wird, werde ich über eine extrem lange Nabelschnur informiert, die sich nicht nur 2 mal um ihren Hals, sondern auch um den Körper gewickelt hatte. Außerdem war das Fruchtwasser grün (d.h. mit erstem Stuhlgang verunreinigt), was man aber vorher nicht hätte bemerken können, da die Fruchtblase erst bei der Geburt des Köpfchens gerissen war.

Ich rutsche höher auf das Bett, bekomme dieses kleine Wesen, etwas abgetrocknet und zugedeckt mit einem Handtuch, auf den Bauch gelegt und ein Kissen in den Rücken, damit ich besser liegen kann.

Während der Mann und ich über diese winzige, schnuffelige Baby staunen und uns ungläubig anschauen, betrachten die Hebammen etwaige Geburtsverletzungen und räumen ein bisschen zwischen meinen Füßen auf.

Ich frage, ob sie die Kinder holen können, ob das geht, und schon werde ich unten herum ein wenig mehr zugedeckt und plötzlich tauchen drei sehr erstaunte Gesichter an meiner linken Seite auf (die Älteste weilte immer noch im Papa- Urlaub), unsicher lächelnd, fragend schauend und ein leises „Ooooohhhh!“ staunend, als ich das Handtuch lüpfe und dort ein Baby drunter liegt. Dann fangen sie an zu lachen, da mich die kleine Schneeflocke ordentlich zugeschietert hat, sie liegt in einem kleinen See aus Kindspech.

Ein Geistesblitz durchzuckt mich und ich spreche ihn aus, ohne mich mit dem Mann abzusprechen: „Bub, möchtest Du die Nabelschnur durchschneiden?“ Hatte er sich doch ganz schwer damit getan, keinen Bruder zu bekommen. So würde vielleicht in der Durchtrennung etwas Schönes wachsen?

Des Buben Augen werden groß und er nickt. Die Hebammen wischen mich und die Kleine ein bisschen mehr sauber und schon wird die mittlerweile fertig auspulsierte Nabelschnur an zwei Stellen abgeklemmt.

Mit einem klitzekleinen bisschen Hilfe durchtrennt der Sohn die Nabelschnur seiner kleinsten Schwester.

Wahnsinn, oder?!

Danach kommt zunächst wieder ein ungemütlicher Teil. Der Mann verlässt mit den Kindern den Raum, sie fahren irgendwann danach los um Brötchen zu kaufen.

Meine Nachgeburt steht noch aus, aber die Plazenta will wieder nicht so recht von alleine kommen. Wehen habe ich auch null. Ich bitte um den Katheter (der hatte mir schon beim letzten Kind geholfen). Die Hebammen lachen, solch eine Bitte zu hören, aber es war im Vorfeld schon besprochen gewesen. Doch es ist kaum Urin in meiner Blase. Um stärkeren Nachblutungen vorzubeugen und die Plazenta rauszubekommen, wird nun Oxytocin gespritzt. Zuerst in meinen Rest Nabelschnur, nach einigen Minuten ohne Wirkung dann doch nochmal in meine Armvene. Auch das war im Vorfeld schon besprochen gewesen und zum Glück bleibt das starke Zittern aus, das mich bei Kind 4 so aus der Bahn geworfen hatte. Aber mir wird wieder übel, ich bitte um eine Spuckschüssel, doch schon ebbt der Schmerz und damit auch die Übelkeit wieder ab. Dieses Mal war ich also ganz ohne Übergeben durch die Geburt gekommen!

Und die Plazenta kommt nun auch. Sie ist gar nicht so groß und auch nicht so verkalkt wie erwartet. Der Ansatz der Nabelschnur sitzt etwas an der Seite, aber dennoch super, wie mir dann auch gezeigt wird.

Der kleinen Schneeflocke geht es gut, sie quakt unaufhörlich und zeigt, wie munter sie ist. Ich rutsche ganz auf das Bett, um mich mit ihr bequem hinzulegen. Denn nach einer weiteren Inspizierung steht fest: Dieses Mal bin ich nicht gerissen und habe nur eine kleine Schürfung davon getragen, die nicht behandelt werden muss. Juhu! Meine erste Geburt ohne Dammnaht! Ob es an der Wanne lag? Wer weiss…

Wir beide werden warm zugedeckt, ich versuche zu stillen und dann schläft dieses kleine Wesen neben mir ein. Im Hintergrund ziehen sich die Hebammen zurück, verrichten noch allerletzte Handgriffe und lassen uns dann ausruhen.

Das erste Stillen nach der Geburt; Haut an Haut mit der kleinen Schneeflocke

Ich kann es immer noch nicht fassen, dass das lange Warten nun vorbei sein soll!

Ich schicke meiner Mutter eine Sprachnachricht mit Babygeschrei und erste Bilder an die Familie. Es gibt einen großen Latte Macchiato für mich, ich trinke mehrere Gläser Wasser und frühstücke etwas Schokolade. Was anderes ist gerade nicht da und auf die Riegel aus meinem Koffer habe ich gar keine Lust. Egal, gleich gibts zuhause Brötchen! Mit dem Mann tickere ich auch, dass wir noch ein wenig brauchen, bis er uns einsammeln muss.

Mein Ausblick: Die Gebärwanne, ein Glas Wasser von unter der Geburt, dahinter frische Anziehsachen und mein geöffnete Koffer, aus dem die Hebamme das Erstlingsoutfit für die Schneeflocke nahm.

Gegen 12 Uhr sind wir dann soweit parat; die Schneeflocke ist gewogen, vermessen und mittlerweile auch etwas mehr gesäubert und angezogen. Ich sollte vor der Abfahrt nochmal Pipi machen, aber selbst unter der Dusche klappt es nicht, was aber nicht schlimm ist (es klappt dann später zuhause problemlos).

Während wir auf den Mann warten, sinniere ich mit der Hebamme mal wieder über das Winterwetter und meine Vorstellung, mit dem Baby im allerersten Schneefall nach hause zu fahren. Und tatsächlich fängt es nun richtig an zu schneien, große watteweichen Schneeflocken schweben sachte vom Himmel. Vor denen hatte ich mich VOR der Geburt wegen Chaos auf den Strassen so gefürchtet, doch ein Wochenbettbeginn im Schnee war immer in meiner Vorstellung gewesen.

Wir fahren in einem Kleinbus voll Kinder nach hause und mal wieder ist es unbegreiflich, wie sich meine Welt innerhalb so weniger Stunden so sehr verändern kann!


4 Gedanken zu „Geburtsbericht Kind 5: Schneeflöckchen, wann kommst Du?“

  1. Was für ein schöner Bericht und wie wundervoll, dass der Bub die Nabelschnur durchtrennt hat. Da hatte ich glatt Tränen in den Augen ❤️

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