So, ich habe mich herangewagt und etwas über meine Trageerfahrungen aufgeschrieben, nach denen ich so lieb gefragt wurde.
Dabei habe ich versucht, einen ganz groben Überblick über verschiedene Systeme zu geben, ohne diese jedoch im Detail zu besprechen und zu vergleichen – dafür fehlt mir einfach das nötige Fachwissen. Deswegen schreibe ich auch „mir ist wichtig – ich finde – das war so und so bei mir„. Bei groben Schnitzern bitte korrigieren, ja?
Dieser Beitrag wurde auch nicht gesponsort oder ähnliches, alle Tragetücher/ Tragehilfen habe ich selbst angeschafft.
Vorab:
Nicht für jeden ist Tuch, Traghilfe oder auch Trageweise gleichermassen geeignet! Man sollte auf Vorlieben und Körperbau von Tragendem sowie Tragling achten und vor allem ausprobieren – was nutzt das schönste Design, wenn es nach 10 Minuten unbequem wird?
Eine unabhängige (und daher in der Regel kostenpflichtige) Trageberatung kann bei der Auswahl sehr helfen. Bei kostenlosen Beratungen sollte man immer vorsichtig sein – zu oft wird einem nur eine kleine Produktauswahl offeriert, an deren Verkauf dann verdient wird.
Leider ist nämlich der Bergriff Trageberater_in nicht geschützt, die Ausbildung nicht einheitlich. Bei einem/r Absolvent_in der mittlerweile 8 deutschen Trageschulen (vor allem Trageschule NRW, Trageschule Dresden, Trageschule Hamburg, deutschlandweit ClauWi) sollte man jedoch richtig liegen.
Viele Trageläden (online wie offline) bieten aber auch die Möglichkeit, Traghilfen zuerst zu mieten, um sie ausführlich testen zu können.
Inhaltverzeichnis:
Meine persönlichen Grundregeln beim Tragen
- Das Kind sollte auf einem ausreichend breiten Steg sitzen. Das Material sollte dabei von Kniekehle zu Kniekehle gehen und die Unterschenkel frei baumeln können. Wenn dabei der halbrunde Rücken auf richtige Art gestützt, aber nicht gerade gedrückt wird, nimmt das Kind mit den Beinen automatisch die M- Stellung ein (Anhock- Spreiz- Haltung)
- Dies ist bei einer Tragweise nach vorne (face-out) nur schwer zu bewerkstelligen. Zudem kann sich der Tragling mit dem Gesicht nach vorne nicht vor zu vielen Reizen selbst schützen, wohl aber wenn er das Gesicht Richtung Mamas Dekolletee richten kann (face-in). Deswegen trage ich nur Bauch an Bauch
- Ich darf als Tragende niemals das Gefühl haben, dass das Kind herausfallen könne – auch nicht beim Vorbeugen. Also ziehe ich alles gut fest, zumal Tragetücher auch noch etwas nachgeben wenn man unterwegs ist.
- Weiterhin überprüfen ich, ob das Kind auf der richtigen Höhe getragen wird. Kann ich ihm bequem einen Kuss auf den Kopf geben (Kopf- Kuss- Höhe), ist es perfekt!
Tragetuch (elastisch)
Der Stoff ist dehnbar wie Jersey und daher besonders anschmiegsam. Vor allem bei Neugeborenen, ja sogar für Frühchen ist ein solches Tuch ein guter Einstieg ins Tragen. Die grundsätzliche Bindeweise ist nicht sehr schwer, vor allem weil man das Baby in der Regel erst nach dem Binden hineinsetzt und etwas nachjustiert. Nachteil: schwerere Kinder bekommt man durch den dehnbaren Stoff nicht mehr so gut gehalten bzw. wird es auch für den Träger oft unangenehm. Ich glaube, diese Tücher werden auch nur in Einheitsgröße verkauft. Inzwischen gibt es diverse Anbieter/ Artikelnamen: z.B. MobyWrap, Hoppediz, Wickelkinder/ Manduca, Ergobaby etc pp
Tragetuch (fest gewebt)
Das Tuch ist aus festem Stoff, der in verschiedensten Webungen und Stärken erhältlich ist. Nach meiner Erfahrung gibt es ein paar Gesetzmässigkeiten: je leichter und anschmiegsamer der Stoff, desto weniger geeignet ist das Tuch für schwere/ große Kinder. Je dicker und fester der Stoff, desto schwerfälliger ist das Tuch zwar bei der Bindung, aber hält dann auch schwere Kinder gut an Ort und Stelle (oft liest man in diesem Zusammenhang „brockentauglich“).
Es gibt mannigfaltige Hersteller und auch Preisklassen, inzwischen auch regelrechte Tauschbörsen, bei denen Liebhaberstücke und limitierte Editionen zu horrenden Preisen die Besitzerin wechseln. Es gibt dicke, schwere, dünne, leichte, bunte, gestreifte, uni, Tücher mit zwei gleichen oder spiegelbildlichen Seiten aus unterschiedlichsten Fasern.
Ich persönlich benutze gerne Baumwolle, da doch ab und zu kleine Unfälle passieren (Windel oder Milch) und ich die Tücher so ohne großes Nachdenken und mit der normalen Wäsche in die Waschmaschine werfen kann.
Unterschiedlich gestaltete Seiten und Kantenfarben sind nicht nur hübsch, sondern helfen auch bei der Unterscheidung beim Binden und vor allem ob man z.B. gerade die Kopf- oder Po- Kante festzieht.
Die Markierung im Stoff oder als Aufnäher in der Mitte ist ein Hilfsmittel, um diese schneller zu finden.
Die benötigte Tuchlänge ist anbhängig von Statur des Tragenden und der Wickelart. In der Regel sind die Tücher auch immer etwas länger als angegeben, um auch nach dem Waschen und Einlaufen noch die gewünschte Länge zu halten. Ich (schlank und groß mit großen Kindern) kam mit 4,60m bei der Wickelkreuztrage bislang immer gut hin.
Binde- und Trageanleitungen für Bauch-, Seiten- und Rückentragweisen gibt es oft auf den Internetseiten der Produzenten, aber auch in unzähligen Videos von Privatpersonen und Trageberaterinnen. Es gibt vorgebundene Varianten (das Kind hineinsetzen und nachjustieren) aber auch Varianten, bei denen das Kind beim Binden eingewickelt wird. Nachteil: aufgrund der Tuchlänge muss man bei Nässe/ Schmutz aufpassen, dass das Tuch nicht über den Boden schleift.
→ Eine Übersicht über Tragetücher gibt es z.B. hier bei Nestwärme. Dieser Artikel von Wickelkinder über Tragetuchstoffe und deren (Nicht-) Besonderheit ist mir ganz besonders im Gedächtnis geblieben.
Eine sehr sommerliche Tragetuchvariante ist der Sonderfall Tragetuch aus Netz. Mein Exemplar ist nur für Kinder bis 15 Kilo geeignet und nur 2 Bindeweisen sind erlaubt.
RingSling
Ein kurzes Tragetuch, das nicht geknotet sondern mittels zweier Ringe geschlossen gehalten wird – es gibt Gürtel, die mit dem gleichen Prinzip arbeiten. Das Baby kann ab Geburt vor dem Körper getragen werden, allerdings muss man dabei ungemein auf die Stützung des Kopfes achten. Daher für Trageneulinge meiner Meinung nach nicht sehr geeignet.
Haupteinsatzgebiet für mich seitlich auf der Hüfte, wenn das Kind schon über eine gute Kopfkontrolle sowie Körperspannung verfügt. Wird recht fix vorgebunden, das Kind hineingesetzt und nachjustiert.
Tragehilfen
Tragehilfen werden nur oder teilweise mit Knoten und/ oder Schnallen und/oder Klett geschlossen (teilweise Schnallen = HalfBuckle | ausschliesslich Schnallen = FullBuckle = Komforttrage )
Sie bestehen aus Tragtuchstoff oder auch anderen Stoffen. Die Frage ist immer, wie gut sich die Tragehilfe an Träger und Tragling anpassen lässt bzw. mitwachsen kann.
Von denen hatte ich beim Sohn den Marsupi und habe seit der ersten Tochter die Manduca in Gebrauch. Gerade eingtroffen ist mein Buzzidil, mit dem ich aber noch nicht sehr oft tragen konnte.
Der Marsupi ist nur beschränkt nutzbar, da weder Stegbreite noch Rückenteil anpassbar sind und alleine vom Hersteller her das Limit bei 15 Kilo Tragling liegt. Der Hüft- und auch die Schultergurte werden nämlich mit Klett geschlossen – das geht sehr schnell und ist ideal für zuhause oder unterwegs, bietet aber ab einem gewissen Gewicht nicht mehr die nötige Sicherheit. Mir schnitten zudem die nur wenig gepolsterten Träger auch irgendwann unangnehm ein. Ich glaube nur für Bauchtragweise geignet.
Die Manduca wird mit Schnallen geschlossen, ist ebenfalls in der Stegbreite nicht anpassbar, bei der Rückenlänge aber gibt es kurz und lang. Bauch-, Seiten und Rückentragweise möglich.
Sie war mir für meine Kinder als Neugeborene immer zu fest und zu steif – obwohl sie ab Geburt nutzbar sein soll und einen Neugeboreneneinsatz aufweist. Ab Kleidergröße 68/74 passt sie jedoch hervorragend. Für den Zeitraum dazwischen (der Neugeboreneneinsatz ist zu klein, aber der eigentliche Steg ist noch zu breit für den Tragling) gibt es die Möglichkeit den Steg „abzubinden“, sprich mit einer Mullwindel oder einem separat erhältlichen Stegverkleinerer etwas einzuschnüren. Für mich war das aber immer eine Fummelei und nicht wirklich zufriedenstellend.
Ich trage mit der Manduca vor dem Bauch gerne mit überkreuzten Trägern, da es mir sonst immer auf den Schulterblättern unangenehm drückt. Das ist aber sehr individuell und sollte auch wieder ausprobiert werden.
Das Buzzidil wird ebenfalls nur mit Schnallen geschlossen, ist aber in der Stegbreite und der Rückenlange individuell anpassbar.
Weitere Tragehilfen: Storchenwiege, Kokadi Flip, Ergocarrier, Manduca, MeiTei, Frl. Hübsch, Buzzidil, Emeibaby etc pp
Weniger geeignet halte ich (aufgrund von zu schmaler Stegbreite, zu wenig oder falscher Unterstützung des Rückens etc) Tragehilfen von BabyBjörn, Chicco, Hauck und so einige andere
→ Eine Übersicht über Tragehilfen gibt es z.B. hier bei Nestwärme oder hier bei Nestling
Meine persönliche Tragegeschichte
Diese beginnt (leider) schon vor der Geburt der Tochter: Zum Kinderwagen der Tochter suchte ich mir total uninformiert im selben Laden für Babybedarf eine Tragehilfe aus und stellte nur wenige Wochen nach der Geburt fest, dass ich einen großen Fehlkauf gemacht hatte. Entlastung bot diese Gruseltrage von BabyBjörn nur in einer Hinsicht: mein kolikgeplagtes Baby schlief im Notfall durch das Geschukkel ein. Aber meine wie auch ihre Körperhaltung war alles andere als optimal – vor allem mein Rücken tat nach kurzer Zeit weh. Die Dreimonatskoliken waren zum Glück irgendwann vorbei und die Tragezeit auch erstmal. An Tragetücher traute ich mich nicht heran, zu groß war die Angst etwas falsch zu machen (2010 waren Videoplattformen oder Instagram noch nicht sehr vebreitet). Im Bekanntenkreis hatten ein oder 2 Mütter Tücher in Benutzung, ein paar aber auch den ErgoCarrier bzw. die Manduca, für die ich mich dann schlussendlich auch entschied. In dieser trug ich das Tochterkind ab ca. 4 Monate immer regelmäßiger – zuerst vorne und zuletzt noch ab und zu mit 2 1/2 Jahre auf dem Rücken. Die Komforttrage kam immer dann zum Einsatz, wenn ich irgendwo unterwegs war, wo es mit dem Kinderwagen schwierig geworden wäre: in engen Geschäften, auf OpenAir Veranstaltungen mit viel Wiese, in Bus und Bahn vor allem beim Umsteigen ohne Aufzug.
Beim Sohn wollte ich dann von Anfang an aber „richtig“ tragen und hatte das elastische Tragetuch MobyWrap ab der Geburt in Gebrauch. Im Winter 2012/2013 war es zuhause und auch bei den ersten Unternehmungen ein guter Begleiter. Es ist durch die dreilagige Bindeweise schön kuschlig – daher war es mir im Sommer mit dem Junebug etwas zu warm.
Da der Sohn ein recht großes und auch schnell wachsendes bzw. schweres Kind war, bin ich nach 2 Monaten langsam auf den Marsupi umgestiegen. Weniger Wickelei, stattdessen drei Gurte mit Klett zu schliessen und fertig. Zuhause und bei kleinen Ausflügen in Gebrauch.
Ich bin auf das feste Tragetuch erst nach einem kleinen Trageworkshop gekommen, als der Mittlere etwa 3 Monate alt war. Ich hatte mir daraufhin ein Tragtuch von Hoppediz gebraucht gekauft und mich langsam heran gewagt: Per Internetvideos, Foreneinträgen, Blogposts und durch Abschauen im realen Leben. Zuerst zuhause, dann bei kleinen Ausflügen und nun auch auf großen Reisen war ich schon oft ohne Kinderwagen unterwegs.
Beim Buben endete die Tragezeit recht aprupt, als ich mit dem Junebug schwanger wurde. Ich konnte schon sehr früh nichts enges mehr am Bauch ertragen und war etwas traurig, ihn unterwegs nicht mehr so nah bei mir zu haben.
Beim Junebug jetzt habe ich von Anfang an im gewebten Tragetuch getragen. Weil mir das blaue Tuch im Hochsommer etwas zu dick und warm war, hatte ich mir noch ein dünneres zugelegt.
Ausserdem habe ich einen RingSling von Storchenwiege angeschafft, den ich vor allem zuhause und auf kurzen Strecken verwendet habe (z.B. auf dem Rückflug von Malmö nach hause). Dabei hatte ich das Junebug mit ihren knapp 3 Monaten vor mir getragen, wofür sie mir aber nun zu schwer ist.
Aktuell habe ich allerdings ein paar Schwierigkeiten mein Mädchen ordentlich auf die Hüfte zu bekommen. Entweder ich ziehe den Stoff zu straff oder ich habe das Gefühl sie rutscht gleich unten durch. Vielleicht ist auch der Stoff zu fest? Oder braucht sie noch etwas mehr Körperspannung?
Leider kam ich Mitte des Monats aufgrund einer sehr ärgerlichen organisatorischen Panne erst zu den letzten 5 Minuten des Trageworkshops und bin keine meiner Fragen mehr losgeworden. Mal sehen ob der Sling und ich noch Freunde werden ;) Da ich ihn aber eh nicht seitlich unter meine Jacke bekomme, hat sich das Thema jetzt im Winter bzgl. Ausflüge für mich erstmal erledigt, allerhöchstens daheim.
Wie man sieht, habe ich mich nach und nach mehr ans Tragen mit Tuch und Tragehilfe herangewagt (was ich sonst noch an Zubehör in Benutzung habe, das habe ich nun hier vorgestellt).
Unterschiedliche Systeme können Erleichterung im Alltag bringen, aber mit einem guten gewebten Tuch in verschiedenen Bindetechniken kommt man theoretisch auch von Anfang an bis ins Kleinkindalter klar.
Ich habe bislang beim Gebrauchtkauf und auch beim Wiederverkauf von neuen Tragetüchern nur gute Erfahrungen gemacht – sei es bei einer Kreisel- Plattform oder dem großen Kleinanzeigenanbieter.
Ein professioneller Blick auf Bindung und Haltung oder zumindest Ohr in greifbarer Nähe schaden jedoch nicht, um das Erlebnis für Träger und Tragling gleichermassen angenehm zu machen.
Denn Tragen ist mehr als die reine Fortbewegung mit Kind:
Es kann bei Babykoliken und der Verdauung helfen, lässt beim Schnupfen das Sekret besser ablaufen, gibt Mama oder Papa ein kleines Stück Freiheit in Form von 2 Händen wieder und einige können sogar diskret Stillen.
Es ist aber vor allem Nähe, Geborgenheit, urvertrautes Schaukeln, ein anderer Blickwinkel und gemeinsames Entdecken der Umwelt.