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„Wie machst Du das nur?“

fragten mich damals viele aus meinem Umfeld. Und bis heute finde ich auf diese Frage keine einfache und richtige Antwort.

Das Tochterkind ist von Anfang an alle 2 Wochen für ein Wochenende beim Papa gewesen. Aber im Gegensatz zu früher, wo ich nach allen wichtigen Beziehungen den Ex meistens nie wieder sah und es nicht schwer fiel ihn komplett aus dem Leben zu verbannen, stand meine gescheiterte Beziehung nun jedes 2. Wochenende vor der Tür und nahm das einzige mit, was mich durchhalten und weitermachen ließ. Bei der Verabschiedung immer mit dabei die Angst, dass er mein kleines Mädchen nicht zurückbringen könnte.

Anfangs war ich nur maßlos enttäuscht und wütend auf ihn – wie konnte er mir das nur antun, was schlussendlich zur Trennung führte? Dann (nach nichtmals 3 Monaten nachdem ich unsere Beziehung als offiziell beendet ansehe) kam der große Tiefschlag: er war direkt mit seiner neuen Freundin zusammengezogen. Sie hatten also schon länger an den Umgangswochenenden hinter meinem Rücken „Vater, Mutter, Kind“ mit meiner Tochter gespielt!

„Wie machst Du das nur?“

Ich war am Boden zerstört: Mit einem Fingerschnippen baute er sich eine neue heile Welt auf, während ich aus Trümmern etwas Neues aufbauen musste. Ich hatte mich im neuen Vollzeit- Job zu bewähren (Probezeit!), sah das Tochterkind nach Feierabend immer nur viel zu kurz und hatte nebenbei noch in der wenigen freien Zeit einen neue Wohnung zu finden, mit ziemlich wenig Geld einzurichten und meinen gesamten Alltag ohne Auto zu bestreiten. Ein Konstrukt aus Tagesmutter und Hilfe von meiner Mutter/ meinen Geschwistern sowie Telefonaten mit meiner besten Freundin gaben mir Halt. Er aber sank weiter in meinem Ansehen, wenn das überhaupt noch möglich war.

Sämtliche Regelungen bzgl. Umgang und vor allem bzgl. des ersten Urlaubs mit ihm waren Kraftakte. Ständig die Angst dabei, dass er mir das Tochterkind wegnehmen könnte. Teilweise ging es nur in Gesprächen, die durch einen Jugendamtsmitarbeiter begleitet wurden.

„Wie machst Du das nur?“

Doch scheinbar gewöhnt man sich an fast alles. Die „Grenzen“ des Umgangs und auch des Kindes- Unterhalts waren irgendwann mehr oder weniger alle ausgehandelt und gesetzt, die Angst das Tochterkind nie wieder zu sehen wurde geringer und ich selbst konnte mich auch etwas entspannen. Ich war nicht nur aufgestanden, sondern hatte auch meine Krone gerichtet und ging weiter! Ich traf mich sogar inzwischen zu Dates und irgendwann war dann auch der Doppel-M dabei. Er kam, sah und siegte sozusagen! <3

Und dann schien das Schicksal Lust zu Scherzen zu haben: Während eines Übergabegespräches wollte ich ihm mitteilen, dass ich vom neuen Partner schwanger bin, während er mir erzählte, dass er seine Neue im Spätsommer später heiraten möchte.

Bämmm! Dabei war ich im Vorfeld etwas aufgeregt gewesen, wie meine Nachricht aufgenommen wird. Würde ein Halbgeschwister und der damit verbundene Umzug noch etwas weiter weg vom Vater doch einiges für das Tochterkind ändern.

Ob ich denn das Tochterkind zwischen Trauung und Abendessen ausnahmsweise abholen könne, alle potentiellen Babysitter wären eingeladen. Da ich mir selbiges Entgegenkommen von seiner Seite aus auch wünschen würde, „rollte“ ich also einige Monate später schon ziemlich rund auf besagter Feier an, der Doppel-M hielt sich im Hintergrund. Ich wollte nach einem kurzen Übergabegespräch in einer ruhigen Ecke des Restaurant- Gartens nur noch weg, musste aber selbst und auch mit dem Tochterkind noch eben auf Toilette. Leider führte der einzige Weg dorthin an der kompletten Hochzeitsgesellschaft vorbei, die sehnsüchtig auf die Eröffnung des Buffets wartete.

Da saßen sie also alle: Meine Ex- Clique. Meine Ex- Schwiegermutter. Selbst in dem Lokal hatte ich schon einmal gesessen, gegessen und gefeiert: Silvester 2009/2010, das erste Mal Party für mich nach der Geburt des Tochterkindes. Selbiges damals in Obhut der Oma. Viele von den Leuten hatten nach unserer Trennung Augen und Ohren zugemacht und scheinbar so getan als wenn es sie nix anginge. Sogar der damalige Trauzeuge in Spe, denn verlobt waren wir ja auch gewesen.

„Wie machst Du das nur?“

Ich hatte Tunnelblick und machte so schnell ich konnte, dass wir wegkamen.

Das könnte man nun als meine Möglichkeit sehen, inzwischen mit der Situation Tochterkind mit regelmäßigem Vater-Umgang umzugehen: Tunnelblick.
Nur das sehen, was für das Tochterkind wichtig ist.
Und das sind Eltern, die das Beste für sie wollen (auch wenn es nicht unbedingt das Beste für sie ist, aber das ist wieder ein anderes Thema).
Den Rest schaffe ich inzwischen irgendwie auszublenden. In meiner Erinnerung gibt es eine Beziehung zu meinem Ex, aber sie verwischt irgendwann als das Tochterkind ungefähr ein halbes Jahr alt ist und ist nicht unbedingt eine schlechte. Dann gibt es einen Mann, der mir ziemlich weh getan hat und mit dem ich diese Trennung und das ganze Drumherum erlebte. Und dann gibt es da mittlerweile einen Umgangsvater (nebst neuer Frau) für das Tochterkind, der mit bei der U7a war und vielleicht sogar zum KiTa- Sommerfest kommt.

Zwar habe ich ab und an Flashbacks, vor allem wenn ich das Tochterkind zu ihm bringe und noch auf ein paar Sätze mit herein komme („Den Esstisch haben wir doch damals zusammen ausgesucht; und die Küchenschränke zusammenzuschrauben, ach was war das eine Arbeit! Und das Foto da – also gehen sie immer noch dahin zum…“), aber das ist inzwischen eher eine Art Wehmut bzw. eine Erinnerung an die Zeit vor den Kindern und vor dem Elternsein ganz allgemein. Interessant auch die Aussagen des Tochterkindes bei Fotos, die damals in der gemeinsamen Wohnung aufgenommen wurden: je nach Möbelstück im Hintergrund ordnet sie es der Papa- oder der Mama- Wohnung zu, da sie zum Glück kaum bewusste Erinnerungen an die Baby- und die Trennungszeit hat. Genauso wie sie bemerkenswert lässig mit den verschiedenen (Um-) Welten, ihren unterschiedlichen Regeln und dem Vorhandensein diverser Bezugspersonen bei Papa und Mama umgeht.

Damals sagte ich: Wir sind Eltern geworden, haben es aber nicht geschafft dabei ein Paar zu bleiben.

Inzwischen sind wir wohl halbwegs gute Eltern – wenn auch nicht im klassischen Sinn, sondern auf beiden Seiten mit neuer Familie.

Interessant auch, dass mir jetzt – nach Umzug und Geburt des MiniMs – die Eingangsfrage kaum noch gestellt wird. Stattdessen wird danach gefragt, wie es denn mit dem Umgang so laufe, wie das Tochterkind mit dem MiniM zurecht käme und dass ich ja jetzt sehr glücklich sein könne, den Doppel-M an meiner Seite zu haben. Selbstverständlich macht es alles für mich etwas leichter, im Gegenzug muss aber der Doppel-M von Anfang an damit zurecht kommen, dass da in irgendeiner Form immer sein Vorgänger präsent ist.

Ein Päckchen, welches viele Patchwork- Beziehungen zu tragen haben.

Welches für mündige Erwachsene nicht zu schwer und zu händeln sein kann, ohne die betroffenen Kinder unnötig zu belasten.

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