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Was sich durch Schwangerschaft und Kinder veränderte: Mein Zeitgefühl

Tick-tack-tick-tack – eine Sekunde bleibt eine Sekunde.
60 davon ergeben eine Minute.
60 davon eine ganze Stunde.

Denkste!

Wer ein Kind bekommt, wird sein eigenes Zeitgefüge gehörig umstellen müssen. Vor allem diese oft unvorhersehbare Fremdbestimmung hat mich manchmal ganz schön fertig gemacht.

Es geht ja schon damit los: 120 oder 360 Sekunden bis zum Ablesen eines sicheren Testergebnisses! Die können sich endlos in die Länge ziehen: „Bin ich oder bin ich nicht? Bin ich oder bin ich nicht? Bin ich oder bin ich nicht?…“
Aber dann sind sie da: 2 Striche oder das Wort „schwanger“. Uff!
Damit beginnt eine erste lange Zeit des Wartens: auf den 1. Arzttermin, den Herzschlag, dass die 12. Woche um ist. Wer schon einmal eine Fehlgeburt hatte, für den werden sich diese Tage und Wochen wohl noch mehr in die Länge ziehen. 280 Tage dauert eine Schwangerschaft – anfangs unvorstellbar!!!
Daher geht es weiter mit Warten: auf die ersten Kindsbewegungen, auf die Halbzeit, die letzten hundert Tage, den Beginn des Mutterschutzes. Wurde der Alltag früher vor allem von beruflichen und privaten Terminen bestimmt, sind es nun die Schwangerschafts-App mit ihrer wöchentlichen Erinnerung („Sie sind jetzt in der 23. Woche! Ihr Kind ist…“) und die Besuche bei Doc und Hebamme.

Während der fortschreitenden Schwangerschaft ist es dann irgendwann die körperliche Einschränkung gewesen, die mich und mein Zeitempfinden hat viiiiel langsamer werden lassen. Sozusagen als Besinnung auf das Wesentliche: in aller Ruhe Brüten.
Trotz Mutterschutz habe ich am Tag kaum mehr erledigt bekommen als vorher mit Job – einfach weil vieles länger brauchte oder ich mich zwischendurch ausruhen musste. Die Nächte vergingen teilweise im Schneckentempo, weil ich so oft wach war. Tagsüber war ich dadurch zwar meist müde (damals wusste ich ja noch nicht was es heisst, richtig müde zu sein), dennoch wurde die Wohnung einer Grundreinigung unterzogen – man weiss ja nie, wann man nach der Geburt wieder dazu kommt!
Alles war bis zur 37. Woche fertig, ab da begann stets das immer gespanntere Warten auf die Geburt. Ich war irgendwann so angenervt von meinem Zustand, dass ich sie regelrecht herbeisehnte. Im Gegensatz zur Kindheit, wo es Weihnachten einen klar definiteren Termin mit Countdown namens Adventskalender gab, musste ich mich aber nun überraschen lassen. Ständig der Gedanke: „Vielleicht machst Du dies und jenes gerade das letzte Mal, weil es bald losgeht?!“ Die Spannung stieg…

Und dann ist er da: der point of no return. Es geht wirklich los mit der Geburt!
Alles wird sich verändern!
Zwar ist zu Beginn nie absehbar, ob es 2 Stunden oder 20 dauern wird – aber es wird irgendwann vorbei sein, so viel steht fest. Ich würde nicht ohne Baby im Arm nach hause gehen.
Unter der Geburt gab es für mich dann noch den ganz besonderen Ausnahmezustand: Zeiten mit Wehe – Zeiten ohne Wehe. Wie lange diese jeweils dauerten, war ab einem gewissen Punkt für mich nicht mehr realisierbar. Es gab nur mich und meinen arbeitenden Körper, bis es irgendwann geschafft war!

Kaum war das Kind da, veränderte sich meine Zeitrechnung erneut:
Diese unvergleichlichen ersten magischen Minuten und Stunden mit dem Neugeborenen!
Dieses Wunder!
Die Bekanntgabe bei Familie und Freunden!
Danach das Wochenbett: Alles ruhig angehen lassen mit Besinnung auf die wesentlichen Grundfunktionen: Stillen, Wickeln, Schlafen beim Baby.
Essen, Wund-  bzw. Körperpflege und Schlafen bei mir.
Dieses kleine Wunder beim Atmen beobachten, während Zeit und Raum stillzustehen scheinen.
Zurückdenken: „Vor einem Tag/ einer Woche/ einem Monat hattest Du dieses Wesen noch im Bauch!“
Selbst nach dem Wochenbett saß ich tagsüber oft mit dem gestillten und schlafenden Kind im Arm auf dem Sofa und die Stunden zogen nur so an mir vorüber.

Irgendwann hatte sich dann aber auch der Alltag wieder seinen Raum zurückerobert und mit jedem Kind stelle ich erstaunt fest, wie viel mehr Zeit als früher ich aufwende um Nahrung zu besorgen, zuzubereiten und anschließend aufzuräumen. Sowieso bin ich stets verwundert, wie schnell Kinder eine Wohnung in Dreck und Chaos versinken lassen können. Wie viel mehr Organisation es bedarf, um nicht nur mich selbst, sondern einen bzw. zwei weitere (und bald auch 3) kleine Menschen morgens pünktlich fertig zu haben oder abends ins Bett zu bekommen.
Einerseits vergeht für mich die Zeit dadurch viel schneller – weil ich oft 3 Dinge gleichzeitig mache; zum Teil aber auch langsamer – vor allem an diesen Nachmittagen mit nöhligen Blagen und noch soooo viel Zeit bis zum Abendessen und der anschließenden Schlafenszeit scheint der Sekundenzeiger nur so schleichen.

Man macht dann früher oder später auch die Bekanntschaft mit dem großen Mütter- Mantra:
„Es ist alles nur eine Phase! Es ist alles nur eine Phase! Es ist alles nur eine Phase!“
Wenn es um die Drei- Monats- Koliken, um Wachtsumsschübe, Stillstreiks oder nächtliche Wachphasen geht, wenn das Baby plötzlich nur noch im Kinderwagen, Maxi*Cosi oder Tuch brüllt oder nur im Arm von Papa einschläft.
Es ist wirklich alles nur eine Phase – allerdings weiß keiner so genau, wie lange sie (diesmal) dauert.
Aber sie geht vorbei.
Bestimmt!
Beruhigend, nicht? ;)

Inzwischen sind das Tochterkind und das Mini-M zumindest an 3 Tagen pro Woche beide gleichzeitig in Betreuung, da gibt es nun auch wieder regelmäßige Zeiten ohne Kinder. Wie viel mehr ich doch allein zuhause schaffen kann! Wie effizient ich mein Haushalts- Schlachtplan plötzlich ausführen kann! Aber wie oft ich dann doch wieder zum Abholen hetze, weil ich noch eben schnell dies und jenes machen musste – anstatt mir selbst auch mal etwas Ruhe zu gönnen.
Deswegen versuche ich immer wieder, mir zusammen mit den Kindern für ein kurzes Stück Weg eine Ewigkeit Zeit zu lassen, um jeden Stein umzudrehen und jede Blume anzuschauen. So etwas geht in einer immer mehr durchgetakteten Welt leider verloren – aber die Kinder, die können das noch: sich so richtig dem Flow hingeben.

Zeit zu finden für Freunde oder eigene Aktivitäten ist mir in den ersten Jahren mit meinem Kindern stets schwer gefallen (Teil 1 dieser Reihe über Freundschaften findet Ihr >>>hier<<<). Arbeitende und kinderbetreuende Personen haben einfach ziemlich unterschiedliche Tagesrhythmen. Tagsüber, wenn ich telefonieren könnte, sind sie arbeiten. Abends, wenn sie wieder zuhause sind, bereite ich Abendessen vor, bringe ich die Kinder ins Bett oder liege anschließend fertig auf dem Sofa und habe nur noch selten genügend Energie, ein geistreiches Gespräch zu führen.

Aber ich bin mir sicher, mit größeren und vor allen Dingen selbstständigeren Kindern wird auch dies wiederkommen. Die Sams- oder Sonntage, die ich damals komplett im Bett verbrachte oder an denen man spontan über Nacht irgendwo hinfuhr, hoffentlich auch :)

Jedes Alter hat also seine eigene Zeitrechnung.
Mein eigenes Alter scheint dabei umso schneller voranzuschreiten, je mehr meine Familie wächst. Meinem Körper merke ich die Schwangerschaften selbstverständlich an, der Schlafmangel gibt sein Übriges dazu und aus Fältchen werden so langsam Falten. Ich habe schon von einigen Müttern gehört, dass sie sich durch die Kinder schneller gealtert gefühlt haben.
Vielleicht liegt es aber auch nur einfach daran, dass uns die vergangene Zeit durch das Grösserwerden der Kinder umso deutlicher vor Augen gehalten wird?

Dieser Artikel entstand übrigens nicht in einem Rutsch – nein, ich habe ihn etwa über eine ganze Woche hinweg insgesamt 20 mal angepackt und zuletzt mit einem leicht angenervten Kleinkind im Rücken fertig gestellt.

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