Gerade in meiner ersten Schwangerschaft hatte ich oft das Gefühl, meine Welt würde sich drastisch verändern, während die „der anderen“ (also Freunde, Kollegen und Familie) einfach normal weiter ging.
Nach der Geburt meiner Grossen verstärkte sich dieser Eindruck: Plötzlich fand ich mich in einem Paralleluniversum wieder, geprägt von Stillen, Windelwechseln und Hebammenbesuchen; fernab jeglicher festen Rhythmen, stattdessen auf Dauerbereitschaft 24 Stunden am Tag/ 7 Tage die Woche.
Inhaltverzeichnis:
Willkommen auf dem Planet „Baby“!
Mein Leben änderte sich, es richtete sich ganz auf diesen kleinen Menschen in meinen Armen aus; auf sein Befinden, seine Zähne, seine Erkältung und und und.
Meine Hormone, der Schlafmangel und die Umstellung von einem Liebespaar zu einem Elternpaar vergrößerten meinen Abstand zu den „normalen“ Menschen da draussen zusätzlich.
Freundschaften brachen weg, weil gemeinsame Themen plötzlich fehlten – ich konnte mit Geschichten vom Arbeitsplatz nichts mehr anfangen, während mein Gegenüber die Tragik einer verstopften Babynase nicht verstand. Kontakt zu halten war teilweise auch schwierig: Tagsüber, wenn ich Zeit hatte waren alle beschäftigt; abends, wenn sie Zeit hatten, war entweder das Kind sehr fordernd oder ich wollte wenigstens kurz am Tag etwas Zeit mit meinem Partner verbringen. Oder endlich duschen gehen. Oder anderes tun, was mit Baby auf dem Arm nicht so gut geht.
Doch irgendwann näherten sich meine alte und die neue Welt wieder mehr an: Das Kind wurde grösser und damit wuchsen auch meine Freiräume. Der Alltag wurde strukturierter, vorhersehbarer und damit verwoben sich mein altes, inzwischen sehr fernes Ich und meine aktuelle Mutterrolle mehr und mehr. Ich fühlte mich wieder mehr wie früher – allerdings mit ein paar grossen „Updates“.
Viele Kinder, weniger Umstellung, mehr Mutter?
In jeder folgenden Schwangerschaft dachte ich an dieses Phänomen, dennoch hauten mich nach den Geburten die Fremdbestimmtheit und diese Reduzierung auf meine Rolle als Mutter immer wieder neu um.
Nachdem sich der erste familiäre Sturm nach der Umstellung auf „plus 1“ gelegt hatte, folgt stets wieder diesee Phase, in der vieles in meiner Erinnerung verschwimmt – Orte, Zeiten, Gegebenheiten gehen ineinader über, verschmelzen durch Hormone, Schlafmangel und Alltagsorganisation, durch Kochen, Waschen, Essen im Takt der Kinder, meist angeführt durch das Baby. Ganz am Ende der Prioritätenliste standen dann wir Eltern und dann dahinter irgendwo noch ich. Klein und winzig fühlt sich mein altes, selbstbestimmendes Ich oft als frisch gebackene Mutter an.
Aber mit jedem Kind wuchs die Zuversicht: Es wird sich ändern, irgendwann. Und mit jedem Kind wurde Mutterschaft ein etwas grösserer Teil von mir, ein ziemlich großer Teil meines momentanen Lebens. Freundschaften zu anderen Eltern wuchsen parallel zu den Kindern und der Kinderschar.
Doch wieviel Mutter passt in mich als Frau, wieviel Frau in mich als Mutter?
Jetzt gerade nach der Elternzeit mit dem vierten Kind, nach einem Monat zurück im Büro, nach einem Sommer voll lauschiger Abende auf der Terrasse, einem Spätsommer mit einigen Ausflügen ins Nachtleben, nach bestimmt 10 Büchern in 4 Monaten fühle ich mich plötzlich wieder sehr wie mein altes und etwas gereifteres Ich:
Als glückliche Bürokaffeetrinkerin, als vertiefte Krimileserin, als Schuhe-mit-Absatzläuferin, als Barhockerzuprosterin, als pflichterfüllte Hausbesitzerin, als jonglierende Grossfamilienmanagerin, als abgehetzte Elternabendbesucherin, als tanzende Clubgängerin, als vereinbarkeitssuchende Teilzeittussi, als aufgeregte Bloggereventgastgeberin… alles das und noch so viel mehr!
Je nach meiner momentanen Rolle merke ich jedoch die teilweise große Kluft, die sich zwischen meinem alten wiederentdeckten und meinem aktuellen Ich auftut. Denn je nach Situation werde ich von meinem Gegenüber sehr unterschiedlich wahrgenommen, so dass sich manchmal in meinem Kopf andere Bilder von mir über das eine legen, was mein Gesprächspartner gerade von mir sehen kann. Dann muss ich kurz meinen Kopf schütteln, um diese Mehrfachbelichtung auseinander zu bekommen und wieder klar zu sehen. „Wo war ich nochmal stehen geblieben?“
Sind meine Kinder automatisch meine Persönlichkeit?
Vor allem mit meinen 4 Kindern bringe ich im Gespräch so manches Bild von mir ganz schnell ins Wanken, dabei kamen die doch erst in den letzten Jahren dazu; ich selbst bin doch schon so viel länger ich!
Manchmal fürchte ich mich regelrecht vor dem Augenblick, mich als 4fach-Mutter zu offenbaren. Die Reaktionen sind stets staunend, manchmal auch ungläubig, oft anerkennend, aber meist einfach nur sehr reduzierend (eine Bullshit- Bingo- Liste liesse sich bestimmt schon mit Standardantworten füllen). Inzwischen gehe ich manchmal ganz bewusst dazu über, meine Kinder nicht zu erwähnen – weil ich selbst noch nicht genau weiss, ob ich diesen Teil meiner Persönlichkeit überhaupt präsentieren will. Das mache ich mit anderen Teilen von mir ja auch nicht, oder?
Ich bin nur eine (Frau) und doch so viele – für andere, aber auch für mich selbst. Mutter und Frau, Frau und Mutter.