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Kinderreich und Kinderlos im Gespräch: „Wie kann man sich als Mutter einsam fühlen?“

Alice ist Anfang 30 und bewusst kinderlos. Sie wünscht sich zwar einen Partner, eine Partnerschaft kann für sie aber nur funktionieren, wenn der Partner ebenfalls keinen Kinderwunsch hat. Aber ihre Freundinnen, die haben fast alle Kinder und der neue Lebensabschnitt „Ein Kind bekommen“ bringt viele Veränderungen mit sich, die eine Freundschaft gehörig auf die Probe stellen können. Per Email tauschen wir uns seit Kurzem über Fragen und auch Missverständnisse aus.

Alice:

„Etwas interessiert mich wirklich brennend! Und zwar hast du etwas geschrieben, was ich auch schon mal gelesen aber nicht verstanden habe. Es liegt sicher daran, dass ich keine Mutter bin. Auch wenn ich glaube, dass ich mich ganz gut in andere hineinversetzen kann, hört das bei dem Muttersein irgendwie auf. Mir bestätigen auch andere, dass ich sehr empathisch bin, ich setze mich gern für die ein, die keine Stimme haben. Doch mir fehlt die Empathie bei Müttern. Woher mag das kommen?

Naja langer Rede kurzer Sinn, hier meine Frage:

Du schreibst, dass man sich als Mutter häufig einsam fühlt. Ganz platt und simpel: Wieso?

Ich meine… auch wenn ich mich gegen Kinder entschieden habe, hätte ich schon gerne einen Partner. Doch da bin ich sehr glücklos und habe da auch irgendwie die Hoffnung aufgegeben. Die meiste Zeit ist es okay für mich, weil ich ein eher intorvertierter Mensch bin und viel Zeit für mich brauche. Aber trotzdem fehlt natürlich jemand, der mich braucht und der mich liebt.
Und mit einem Mann (und selbst wenn der nicht bei allen Müttern da ist) ein Kind ist ja ein Garant dafür, nicht einsam zu sein… Und die Kontakte zu anderen neuen Müttern…

Kannst du mir erklären, wie da ein Gefühl der Einsamkeit hochkommt? Es interessiert mich wirklich und ich möchte das gerne verstehen können. Vielleicht ist das auch der Schlüssel zu mehr Empathie.“

Kaffeepause

Frl. Null.Zwo:

„Meine Antwort auf Deine Frage ist ganz einfach:

Ein Kind ersetzt keine Partnerschaft.

Natürlich ist es wunderbar, sich um einen so kleinen Menschen zu kümmern, ihn beim wachsen zuzusehen und auch gewissen Einfluss zu nehmen. Aber es ist und bleibt ein Kind.

Ausserdem lernt man nicht zwangsläufige neue Freundinnen kennen, weil man andere Personen mit Kind trifft. Der Nachwuchs als größter gemeinsamer Nenner ist kein Garant dafür, dass man sich mag und wieder sehen möchte. Teilweise prallen da Welten aufeinander, die sich sonst nie getroffen hätten.

Ich war damals zudem die erste mit Kind – alle anderen gingen weiter ihrer Arbeit nach, ihren Hobbies und ihrem Vergnügen. Ich verbrachte Tag und Nacht mit Windel wechseln, Stillen und Haushalt – plötzlich fehlten viele Gemeinsamkeiten und vor allem tagsüber, wenn ich alleine mit Kind daheim war, konnten die Stunden verdammt lang werden.

Natürlich machte ich Kurse mit Baby (Rückbildung und Pekip), traf mich auch ausserhalb der Kurse mit anderen Müttern, aber trotzdem war da das Gefühl, bei den Freunden drehe sich die Welt normal weiter und meine ist in einer anderen Galaxie gelandet. Mein „ausländisch“ konnte kaum einer nachvollziehen – das kommt jetzt erst, wo sie selbst Kinder bekommen oder haben. Viele Dinge waren zu meinem Alltag geworden, die die anderen einfach nicht nachvollziehen konnten. Und deswegen fühlte ich mich damals wirklich oft einsam.“

Alice:

„Es ist natürlich einleuchtend, dass ein Kind keine Partnerschaft oder Freundschaft ersetzt. Ich habe viel darüber nachgedacht, was du geantwortet hast. Und ich glaube, ein Grund dafür, dass ich mir kein eigenes Kind – aber wohl einen Partner vorstellen kann – ist, dass ich ausgeprägt introvertiert bin.

Mir ist all das bewusst, was Mütter sagen. Alles ändert sich. Die Prioritäten verschieben sich ebenso wie die Bedürfnisse. Das mag alles sein und wäre bei mir sicher auch so. Ich glaube sogar, ich wäre eine Übermutter. Und genau das möchte ich eben einfach nicht. Ich kann und will mir mein Leben ohne meine wichtigen Ruheoasen, die weit mehr als Oasen sind, eher ganze Landstriche, nicht vorstellen. Wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, dann brauche ich ganz dringend meine Ruhe. Und zwar nicht wie „jeder“ halt mal eben eine Pause braucht. Nein, ich gehe dann nicht ans Telefon, nicht an die Tür und ich will von nichts und niemandem was hören. Ich brauche Zeit zum Auftanken, in einer überdurchschnittlich starken Dosis. Nun ja, was ich eigentlich sagen möchte:

Ist ein Kind da, ist genau das alles vorbei. Dass ich alleine sein kann, wenn ich es möchte. Dass ich mich abschotten kann, wenn ich es brauche.

Der einzige Grund, warum ich mich einsam fühle ist, dass ich schon länger keinen Partner mehr hatte. Das fehlt mir schon sehr. Aber es ist gar nicht leicht, jemanden zu finden, der sich ebenfalls keine Kinder wünscht und der akzeptieren kann, dass ich einen gewissen Freiraum ganz für mich alleine brauche. Und da bin ich lieber ganz alleine, als meine mir so wertvolle Zeit mit jemandem zu verbringen, der gar nicht richtig ist für mich und ich somit unglaublich an Kräften verliere.“

Frl. Null.Zwo:

„Beim ersten Kind, der grossen Tochter, hat mich die grosse Verantwortung ihr gegenüber fast umgehauen. Ich trage fortan Sorge für Gesundheit und Wohlbefinden und bin als Elternteil 24/7 auf Stand-By, das war wirklich ein gravierender Einschnitt. Da ist aber auch kein Gleichgewicht oder keine Gleichberechtigung, selbst wenn das Kind größer und eigenständiger wird.

Meinem Partner gegenüber bin ich zwar auch verantwortlich, aber nicht so allumfassend und ständig.

Kraft verlierst Du in gewissen Phasen mit Kind auch. Sogar mehr, als Du denkst zu besitzen. Vielleicht ist das ein weiterer großer Unterschied: Bei einem Partner kann man in der Regel selbst bestimmen, bis wohin man (mit)geht. Du sagst, Du brauchst viel Freiraum – Du kannst aber erwarten, dass Dein Partner dieses Bedürfnis akzeptiert.

Bei einem Kind ist das nicht möglich – immer wieder gibt es Situationen, an denen man selbst gerade nichts ändern kann, die aus dem Kind heraus kommen. Da muss man dann durch, man hat gar keine andere Wahl. Schön ist es, wenn einem der andere Elternteil dabei zur Seite steht und man an dieser Situation gemeinsam wächst. Aber trotzdem fühlt man sich als Eltern oft hilflos und überfordert, weil man sich auch zu zweit mit einer solchen Situation ziemlich allein fühlen kann – und ich denke da nicht nur an Schreibabys, sondern auch an ganz „normale“ Phasen, Entwicklungsschübe oder das Trotzalter. Da helfen akut dann auch keine Ratgeber oder Ratschläge – jedes Kind ist anders, wenn auch gewisse Sachen sehr ähnlich sind. Ausserdem denken nicht immer beide Eltern gleich über gewisse Situationen oder es kommen plötzlich ganz unterschiedliche Einstellungen ans Tageslicht. Dann kann man sich selbst in einer Paarbeziehung gehörig einsam fühlen.

Es gibt also ganz unterschiedliche Möglichkeiten, sich als Mutter einsam zu fühlen, einige sind einem dabei manchmal auch gar nicht so bewusst. Andererseits gibt es aber so viele wunderbare Momente mit dem Kind und auch dem Partner, sonst würde es wohl nur Einzelkinder geben ;)“


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