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Vertrauen in das eigene Kind – Jugendreisen in den 90er Jahren

Ich bin die Summe meiner Erfahrungen, bin daran gewachsen und immer wieder erstaunt, wieviel doch nicht von mir selbst abhängt, sondern von Zufällen und anderen Menschen.

Allen voran natürlich von meinen Eltern – so dass ich mich heutzutage oft frage: Wie werde ich meine Kinder prägen? Wie wird dieses Leben in einer Grossfamilie sie beeinflussen?

Ich selbst wuchs auch mit mehr Geschwistern als sonst üblich auf; auch meine Eltern waren beide immer berufstätig. Dennoch hatte ich jetzt in der Rückschau nie das Gefühl, sie wären nicht für mich da gewesen. Auch wenn ich oft geflucht habe, weil ich als Älteste von 4 Kindern aufwuchs, lernte ich in der Pubertät die Vorteile davon schätzen: Ich durfte Verantwortung übernehmen.

Das war wohl mit der größte Grund dafür, warum ich schon mit 16 alleine nach Mallorca fliegen durfte, was ich Ende Januar auch bei „5 Fakten über mich“ auf Instagram erwähnte. Viele von Euch erinnerten sich ebenfalls an eine solche Jugendreise und die Möglichkeit, sich ohne elterliche Aufsicht auszuprobieren ;) Ich öffne daher heute mal mein analoges Fotoalbum für Euch und erzähle ein wenig aus dem Nähkästchen:

Mit der Clique in den Urlaub ohne Eltern

Bei uns entstand diese Idee in der losen Clique, die sich in der Tanzschule gebildet hatte. Ja, ich ging mit 14/15/16 Jahren zur Tanzschule, so richtig mit Walzer und Cha-Cha-Cha. Das machte „man“ damals in meiner Stufe und war eine wirklich schöne Zeit. Sogar das Bronze- Abzeichen habe ich gemacht!

Ich erinnere mich noch gut an eine abendliche Wartezeit an der Bushaltestelle nach dem Tanzkurs (es war Winter, sehr dunkel und ziemlich kalt), als diese Idee mehr und mehr Gestalt annahm. Meine Eltern waren aufgrund der Anzahl mitreisenden Jugendlichen (bestimmt 5 davon allein in meinem Hotel zwischen 16 und 18 Jahre) und wegen eines seriösen Reiseveranstalters (Neckermann) recht schnell einverstanden und so wurden 2 Wochen Cala Ratjada gebucht.

Mit Flugtickets auf Durchschlagpapier, 20 Kilo Freigepäck und einer frei verkäuflichen Zigarrettenstange pro Person im Flieger. Ich glaube, damals durfte im Flugzeug sogar noch geraucht werden!

Helicoptern in den 1990ern? Keine Chance!

Unvorstellbar heutzutage: Während des ganzen Aufenthalts rief ich ungefähr 3 Mal zuhause an: Nach der Ankunft, vor dem Abflug und einmal mittendrin. Mit einer Telefonkarte vom Kiosk und vom öffentlichen Fernsprecher aus – Smartphones gab es damals noch nicht und ein Handy hatte auch noch kaum einer (deswegen gibt es glücklicherweise auch nur wenig Fotos und keine Videos von unserem Aufenthalt). Aber man hätte mich über das Hotel erreichen können bzw. gab es ja auch noch eine Reiseleitung. Diese war jung, männlich, gefühlt nur wenig älter als wir selbst und wir sahen sie eigentlich auch nur nur am ersten Abend, als es den Begrüßungscocktail an der Hotelbar gab: Blue Curacao mit Orangensaft glaube ich, auf jeden Fall sah es schön türkis- grün im Glas aus und es war Alkohol!

Jugenreise mit 16 nach Mallorca – party on, party hard!

Das Hotel an sich war mit 2 Sternen fast die allereinfachste Kategorie – aber für unsere Zwecke vollkommen ausreichend: Schlafen, Duschen, fertig machen und vorglühen! An regelmäßige Mahlzeiten der Halbpension erinnere ich mich nur vage; das Frühstück verschliefen wir oft und ich holte mir meistens mittags ein belegtes Baguette bei einer Bude auf dem Weg zum Strand

Abends war ich wohl öfter am Buffet; viel wichtiger war dann aber das, was sich auf den winzigen Balkonen der Zimmer abspielte, nämlich Vorglühen und überlegen, wo es später hingehen sollte. Schnell hatte man auch Kontakt zu anderen jungen Menschen, die ebenfalls im Hotel wohnten. Sehr praktisch: die kleinen Bierflaschen gabe es dann auch mit Drehverschluss! Ein Flaschenöffner oder das kunstfertige Öffnen mit dem Feuerzeug entfiel komplett!

Wenn es dann ins Nachtleben ging, führte uns der erste Weg oft zu den 3 Diskotheken im Ort, um sich noch vor Mitternacht einen günstigen Eintritt und vor allem den Stempel zu sichern. Danach ging es dann meist zu BurgerKing (nach den ersten Bierchen eine Grundlage schaffen) und oft auch in die Cocktailbar – die „Helden“ hatten am Ende des Urlaubs die dort ausgegebenen Hula- Ketten in allen Regenbogenfarben am Spiegel hängen (jeden Abend gab es nämlich eine andere Farbe).

Danach ging es dann in die Disko, oder auch noch in eine zweite und manchmal auch noch in eine dritte. Keine Ahnung wer Rick ist – ich habe seine Nummer zumindest in mein Fotoalbum geklebt, es war vielleicht ein DJ?

Nach diesen 2 Wochen Dauerparty waren wir alle ziemlich urlaubsreif und meine Eltern wohl heilfroh, mich wieder gesund zuhause zu haben. Und doch denke ich immer noch manchmal daran zurück, daß sie mich mit 16 (und auch im Jahr darauf mit 17) dorthin alleine wegfliegen liessen.

Mit 18 Jahren fuhren wir zu viert (2x 18 Jahre, 2x 16 Jahre) auf eigene Faust per Fernbus an die spanische Costa Brava in eine gemietete Ferienwohnung; mit 19 fuhr ich die Strecke von 1000 Kilometern in den selben Ort mit einer gleichaltrigen Freundin im Auto meiner Mutter.

Von was für einem Vertrauen das doch zeugt!

Als Teenager alleine wegfahren – Vertrauen und Wachsen

Ich finde es sehr wichtig, dass meine Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen können und nicht ständig unter meiner Beobachtung stehen. Aber ob ich ihnen in ein paar Jahren eine solche Reise erlauben würde? Wohl eher nicht.

Zum einen glaube ich, dass es heutzutage viel härter auf den Partymeilen zugeht, auch wenn damals schon so einiges hätte schief gehen können (worüber ich gar nicht so genau nachdenken will; ich erinnere mich dunkel an eine kleine Bar in einer Seitenstrasse, in der es „Grünes Männchen“ gab – mit wahlweise 60, 70 oder sogar auch 80% Alkohol. Wir waren 16!!! Und ich ein Mädchen!!!). Ich muss aber dazu sagen, dass wir selbst und auch untereinander ganz gut auf uns aufgepasst haben – Stichwort „Kenne Deine Grenzen!“ Die Eltern hatten sich zumindest teilweise kennengelernt (nicht jeder jeden, aber doch so, dass sich der Kreis schloss) und natürlich waren alle Telfonnummern reihum gereicht worden.

Zum anderen überdauern durch Smartphones und die sozialen Netzwerke ganz andere „Erinnerungen“ an solche Unternehmungen, die dann womöglich komplett in die falsche Richtung gehen und sich unkontrollierbar verbreiten.

Aber wie der Weg meiner Kinder auch aussehen wird, sie werden ihre Erfahrungen machen. Und wir werden ihnen als Eltern vertrauen. Jetzt im kleinen Rahmen und später im grösseren.


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