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Einen Geburtsbericht aus der Klinik anfordern

Briefumschlag mit Unterlagen zur Geburt

Gestern abend hielt ich einen neutralen, großen Briefumschlag in meinen Händen, den ich sofort zuordnen konnte, dessen erwartete Ankunft ich aber zwischenzeitlich schon wieder vergessen hatte.

Im Januar las ich irgendwo irgendwas zur Aufhebungspflicht von medizinischen Unterlagen und sofort dachte ich an den Geburtsbericht meiner ersten Geburt, der nun bald schon 9 Jahre in den Akten des damaligen Krankenhauses liegen würde. Also schrieb ich die Klinik endlich an mit meiner Bitte, mir die Aufzeichnungen doch als Kopie zukommen zu lassen. Ich bot die Übernahme der Kopierkosten auf eigenen Rechnung an und legte einen an mich adressierten und ausreichend frankierten Rückumschlag bei, den ich dafür ein paar mal falten musste.

Nach fast 2 Monaten erreichte mich also gestern endlich die Antwort.

Das 1. Kind – Der Sprung ins kalte Wasser

Ich hatte mir im Vorfeld die erste Geburt immer wie ein großes Abenteuer vorgestellt. Man weiss nicht, wie es losgeht, wie lange es dauert, aber es würde irgendwann vorbei sein. Es würde ein einschneidendes Erlebnis werden und mein Leben komplett verändern. Viel hätte ich dabei nicht in der Hand, ausser zu warten und zu vertrauen. Mit diesen Gedanken hatte ich damals auf meine Tochter gewartet. Sie endlich im Arm halten zu können, endlich in dieses neue Leben als Mutter, als Eltern und als Familie zu starten!

Doch als sie dann endlich da war, als dieses neue Leben endlich losgehen sollte, da fühlte ich mich einfach nur schlapp. Ich hatte es geschafft ein Kind zu gebären, war stolz auf mich, beobachtete die Veränderungen meines Körpers im Frühwochenbett und entdeckte im Krankenhausspiegel nicht nur geplatzte Äderchen auf meinen Wangen, sondern auch in meinen Augen. Auch die Tochter hatte einige Blessuren unter der Geburt mirgenommen; sie kam sehr zerknautscht und mit einigen Druckstellen im Gesicht zur Welt. Ein wenig später liess die Milch auf sich warten; die Kleine litt Hunger, ich schlief kaum noch weil sie so viel schrie, ich hatte Nachwehen und mir irgendwie den Start ganz anderes vorgestellt. Alles war anstrengender als gedacht, ich fühlte mich unwohl auf der Wöchnerinnenstation im Krankenhaus und diese großartige Mutterliebe spürte ich auch nicht. Ich beobachtete meine Bettnachbarin, die so oft lachend ihren frisch geborenen Sohn knuddelte, während mir alles zu viel war und ich nur noch schlafen wollte.

Aber nach ein paar Tagen zuhause hatte sich das alles in Luft aufgelöst; die Milch war da, das Kind gedieh, ich selbst fühlte mich besser und kam langsam wieder auf die Beine, physisch wie psychisch. In meiner Mama- Runde, die sich aus dem Geburtsvorbereitungskurs entwickelt hatte, erzählten wir uns mehr oder weniger alle von den Geburten und der ersten Zeit danach und ich bekam erstmals eine Ahnung, wie unterschiedlich eine Geburt (und auch das Frühwochenbett) doch ablaufen kann. Zum Glück hatte ich mir im Vorfeld nicht allzu viele Gedanken über verschiedene Komplikationen gemacht; ich hatte schon damals darauf vertraut, dass mein Körper wisse, was zu tun sei und im Krankenhaus eine Geburt zu den alltäglichen Dingen und damit zur Routine gehört.

Den Geburtsbericht anfordern – meine Gründe

Doch warum hatte ich den Geburtsbericht jetzt noch überhaupt angefordert?
Die Älteste kam doch spontan und ohne große Komplikationen sowie recht zügig nach nur gut 5 Stunden im Krankenhaus zur Welt?
Bis auf einen Dammschnitt war damals nichts „großartiges“ in der Klinik passiert – ich hatte tolle Wehen, eine schöne schnelle Öffnung des Muttermundes, aber ich hatte nachher auch das Gefühl alleine und nicht mehr Herr der Lage zu sein, eine vermeintlich ewige Pressphase, bekam dann trotz starker Wehen noch einen Wehentropf in den Arm sowie Sauerstoff über eine Maske und plötzlich waren neben der Hebamme auch gleich 2 Ärzte im Zimmer, wovon mir einer schmerzhaft mit dem Ellenbogen im Bauch beim Gebären „mithelfen“ wollte; die Saugglocke stand bereit, wurde dann aber doch nicht benötigt – aber das ist ist ja alles nicht so ungewöhnlich, die Ärzte verschwanden recht schnell wieder und das Kind ist doch gesund?!

Die Fragezeichen in meinem Kopf kamen daher erst später, viel später. Doch sie kamen immer wieder.

Ein Geschwisterkind gebären – Mit mehr Wissen und Erfahrung

Als ich dann mit dem Bub schwanger war, wollte ich schon recht früh eine ausserklinische Geburt. Zum Glück liess sich der neue Mann an meiner Seite davon überzeugen (was aber auch viel an den anderen Geburtshauskindern in seinem Freundeskreis lag). Diese dann sehr schöne und schnelle Geburt bestätigte mich in meiner Entscheidung und mir ging es sooo viel besser im Frühwochenbett. Danach verglich ich sie oft mit der ersten Geburt im Krankenhaus, erkannte viele Parallelen im Verlauf und doch blieben da immer noch ein paar Fragen zur ersten Geburt offen, die mir keiner beantworten konnte.

Auch die beiden nachfolgenden Geburten (alle wieder im Geburtshaus) zeigten mir, dass mein Körper fantastisch gebären kann. Bei allen Geburtshauskindern dauerte es von der ersten richtigen Wehe bis zur Geburt nie viel länger als 3 Stunden; die Pressphase war so kurz wie ich sie mir vorgestellt hatte; sprich die bei der ersten Geburt war wirklich sehr lang gewesen – ob das jetzt nun an mir oder an der wesentlich interventionsreicheren sowie weniger durch eine Hebamme betreuten Geburt in der Klinik lag, lässt sich wohl nicht mehr herausfinden. Nach den Geburtshausgeburten hatte ich mich körperlich immer viel besser gefühlt (nur nicht nach der letzten, das war aber dem großen Blutverlust geschuldet, den eine volle Blase verursacht hatte, so daß sich die Gebärmutter nicht richtig zusammenziehen konnte).

Natürlich flutschen nachfolgende Kinder besser durch als das allererste; aber irgendwie war da immer noch das Gefühl, das damals etwas entscheidend anders gewesen sein muss.

Der Geburtsbericht aus der Klinik und mir geht ein Licht auf

Inzwischen habe ich nicht nur 4 Geburten selbst erlebt, sondern auch unzählige Geburtsberichte von anderen Müttern gelesen und gehört. Vor allem die von einer Hebamme kommentierten Geburtsberichte auf Janas Hebammenblog mag ich sehr; aber auch die von anderen Müttern geschriebenen Eindrücke zeigen die große Vielfalt von Geburt.

Daher bereitete es mir auch keine großen Schwierigkeiten, das teilweise in den Notizen enthaltene Fachchinesisch der Hebamme zu entschlüsseln. Jede vaginale Untersuchung ist notiert, ausserdem die Herztonfrequenz des Kindes, der Abstand meiner Wehen, Äusserungen von mir und auch die Einbeziehungen der Ärzte hat die Hebamme alle mit Uhrzeit verzeichnet. Die Ankunft des Gynäkologen ist eingetragen, der Dammschnitt wurde vermerkt und immer wieder „tiefer Dip 1 auf XY“ – ein Absacken der kindlichen Herztöne unter einer Wehe auf 95, auf 75 und teilweise auch auf 55; daran kann ich mich noch gut erinnern (deswegen auch die Sauerstoffmaske für mich), aber auch an die immer wieder zunehmende Geschwindigkeit des Herzschlags in den Wehenpausen.

Was mir aber gänzlich neu ist und ich erst einmal im Internet nachschlagen musste, ist der Vermerk 1. HHL (Hinterhauptslage?).

Wie dem auch sei, ich selbst kann nun meine offene Fragen alle als beantwortet abhaken, was nach so vielen Jahren ein tolles Gefühl ist! Ich hatte wirklich recht mit der sehr langen Pressphase (siehe auch unten), die auch der Grund für meine anschliessende Schlappheit gewesen sein.


Ausschnitt aus dem Geburtsverlauf, der im Geburtsbericht der Klinik notiert ist:

22:41h Ankunft Kreissaal

23:13h Muttermund ist 2-3cm geöffnet

00:49h Muttermund ist 5-6cm geöffnet

01:20h Muttermund ist vollständig geöffnet

02:04h unwillkürliches Mitpressen

02:44h Patientin hat Pressdrang

(Wechsellagerung, da Kopf nicht tiefer rutscht und mehrfaches Kristellern wurden nicht vermerkt)

03:47h Dammschnitt durch Dr. ABC (Gynäkologe)

03:48h Spontane Geburt eines lebensfrischen, reifen Mädchens aus I. HHL –> Erstversorgung durch Dr. XY (Padiatrie), Nabelschnurblutentnahme, Patientin bondet

03:55h Plazenta und Eihäute folgen spontan und vollständig


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