ist es nun schon her und doch kommt es mir immer noch sehr oft vor, als hätten wir uns einfach nur ein lange Zeit nicht gesehen. Du würdest jeden Augenblick durch die Tür des Elternhauses hereingepoltert kommen, deinen Rucksack auf die Bank im Windfang pfeffern, Hallo murmeln und in die Küche stapfen um eine halben Liter Milch zu exen.
Manchmal erschrecke ich mich, wenn ich jemanden mit schwarzen Haaren und in einem langen schwarzen Mantel aus der Ferne sehe – das könnte ja er sein! Aber es kann ja nicht.
An anderen Tagen gibt es nichts normaleres, als dein Grab zu besuchen und das Tochterkind nachschauen zu lassen, ob die Kerze noch brennt. Zu raten, wer die schönen Blumen dort hingestellt hat oder sich mit der Familie über die neue Bepflanzung zu unterhalten.
Nach wie vor frage ich mich Warum? Was gab den Ausschlag mitten in der Nacht loszuziehen und das Seil mitzunehmen? Ausgerechnet diese Nacht?! – auch wenn wir schon lange den Versuch aufgegeben haben, Deine letzten Wochen und Monate und damit Dich zu verstehen.
Vor ein paar Tagen wärst Du 28 geworden, doch das wolltest Du nicht.
Der kleine Bruder, einen halben Kopf größer als ich.
Der sich selbst zum schwarzen Schaf der Familie gemacht hat, überall aneckte, rausflog und doch sein eigenes Ding durchzog.
Dafür geht es Dir jetzt gut. Ganz bestimmt.