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(Re-) Kapitulation | Wie Vereinbarkeit (nicht) klappt

Die letzten Wochen waren sehr anstrengend für mich. Mehrfach stand alles auf dem Prüfstand, weil es nicht so weiter gehen kann, wie es momentan läuft.


Anstehende Veränderungen

Da sind vor allem die Einschulungen nächsten Sommer: Der Bub wird ein Grundschulkind, die Älteste wechselt auf die weiterführende Schule. Leider ist es bei beiden nicht so einfach mit der Auswahl, zu viele Möglichkeiten/ zu eingeschränkte Möglichkeiten. Und wie dann die Fahrtwege, Betreuungszeiten etc aussehen, wissen wir immer noch nicht.

Was aber klar ist: Im August wird es für mehrere Wochen (wahrscheinlich eher Monate) hier zuhause rund gehen. Gleich 2 Kinder werden mit komplett neuen Lebenssituationen konfrontiert, die sich organisatorisch auf unser ganzes Familienleben auswirken werden. Psychisch wird es auch eine ganze Zeit dauern, bis beide Kinder angekommen sind. Erste Gedanken an unbezahlten Urlaub bzw. Elternzeit* ploppten bei mir schon nach dem Sommer auf. Ich informierte mich ein bisschen, rechnete und zählte Monate. Parallel besuchen wir Elternabende und Tage der offenen Tür bei möglichen Schulen.

Jahresrückblick einmal anders

Dann gab es eine recht aktuelle Sache, die mich wirklich mitgenommen hat. Nachdem ich im Herbst 3 Wochen krank geschrieben war (immer wieder Woche auf Woche, weil aus der bakteriellen Halsentzündung eine virale wurde und dann von Reizhusten und Schnupfen abgelöst wurden – alle !!! anderen zuhause waren gesund geblieben), wurde ich am ersten Tag zurück im Büro zu einem Gespräch eingeladen.

Hier auf dem Blog hat man es weniger mitbekommen, aber auf Twitter schrieb ich öfter über meine innere Zerrissenheit, schon wieder im Büro zu fehlen. Ich selbst fühlte mich dabei sehr unwohl, denn ich gehe gern ins Büro, ich will meine Kollegen nicht hängen lassen und kann trotzdem nicht anders auf Viren und Co reagieren.

Kurz nach der Einladung zum Gespräch (über dessen Inhalt ich noch nichts wusste), dachte ich nach dem ersten Schreck: „Okay. Es wäre okay, wenn sie mich kündigen. Dann ist das jetzt so. Dann scheinen doch alle recht zu haben und Mütter von 4 Kindern sind einfach besser zuhause aufgehoben, weil 2 arbeitende Elternteile in dieser Konstellation einfach zu viel sind. War ja klar, dass ich das nicht durchhalte. Und wer würde mich woanders überhaupt noch einstellen?“ Anfang des Jahres hätte ich mir solche Gedanken nicht vorstellen können…

Diese 40 Tage war ich 2018 auf jeden Fall gesund…

Ich lag richtig beim Grund für das Gespräch und bekam meine Ausfallzeiten schwarz auf weiss bzw. bunt im Diagramm vorgelegt. Bis auf Mai gab es im letzten Jahr keinen Monat ohne Krankenschein. Mehr als 30% war ich wegen eigener oder Kinderkrankheit abwesend gewesen. Das sei zuviel, auch wenn ich ansonsten wirklich tadellose Arbeit abliefern würde. Kündigen wolle man mir nicht, aber die Fakten seien nicht mehr zu ignorieren. Ganz ins Detail will ich jetzt nicht gehen, aber es war für mich ein einziger Tanz über rohe Eier. Dazu kamen die Elternabenden in den Schulen, Sankt Martin und ganz viel anderer unaufschieblicher Kram.

Unsere Lösung:

Nach mehreren Büroterminen und einigen Tagen mit blanken Nerven, vielen Gesprächen mit dem Mann und anderen Vertrauten steht nun fest: Ich werde in ein paar Wochen in Elternzeit gehen. Und zwar für weit über 1 Jahr und ganz auf eigenen Wunsch.

In dieser Zeit können die Kinder dann husten und ihr Nase hochziehen, ohne dass ich direkt das dicke P für Panik in meinen Augen stehen habe. Ich selbst fahre nicht noch einmal mit Notfall- Kotztüte ins Büro, weil mir am Montag Morgen etwas kodderig im Bauch ist (aber zuvor am Donnerstag das Magen- Darm- Schild in der KiTa hing und ich ein Kind abholen musste). Ich muss auch keine Angst mehr vor verspätetem oder bestreiktem ÖPNV haben, der mir wertvolle Arbeitszeit klaut und auch keine Furcht vor Unwettern und Schneemassen haben, die den Verkehr lahmlegen – denn selbst ohne solche Extreme verpasse ich im Winter oft meine Anschlüsse und brauche dann teilweise über 3 Stunden am Tag für meinen Arbeitsweg hin und zurück. Kein KiTa- Streik bringt mich zukünftig um Urlaubstage und eine frühere Schliesszeit oder ein später Nachmittagstermin des Mannes bringt uns Eltern wohl auch nicht mehr Schwitzen. Ich werde stattdessen endlich ein paar Sachen hier im Haus in Angriff nehmen und mich vor allem um mein Immunsystem kümmern können. Eine schiefe Nasenscheidewand und dadurch bedingte Infekthäufigkeit, die Grippeimpfung und ein Hautarztbesuch stehen auch noch im Raum – doch bisher fehlte die Zeit für die Facharztbesuche bzw. die Nebenwirkungen.

Was natürlich fehlen wird, ist mein Einkommen, da müssen wir uns bald etwas überlegen – Ideen habe ich einige, aber ob das alles so klappt und ausreicht? Ich hoffe, daß sich auch da bald eine Lösung finden wird. Was auch fehlen wird, ist der Austausch mit den Kollegen. Das geile Gefühl des Flows und die Befriedigung, eine gute Arbeit abgeliefert zu haben. Das „schick machen“ morgens, ein geregelter Tagesablauf und meine Auszeit ganz alleine beim Mittagessen im Restaurant.

Aber meine Gesundheit und vor allem auch das Wohlergehen der Kinder gehen jetzt vor, die müssen momentan viel zu oft funktionieren, damit es im Alltag zeitlich alles so hinhaut. Zu oft hören sie momentan die Worte nein, jetzt nicht oder später. Der Mann und ich zickten uns mittlerweile schon im Vorfeld an, wer beim nächsten Mal KindKrank zuhause bleiben muss, das kann es ja auch nicht sein. Insgesamt ist die Stimmung hier oft gereizt.

Aber ab demnächst bleibe dann einfach immer ich daheim.

In der Dunkelheit losfahren, in der Dunkelheit heimfahren


Fortschritt? Rückschritt?

Es ist auf jeden Fall ein Fortschritt für uns als Familie, nimmt es doch jede Menge Druck aus den hektischen Morgenden und den anstrengenden Abenden. Es könnte sogar Raum geben für Turnstunden für die Kinder oder Sport für mich.

Es ist aber auch ein Rückschritt für mich als emanzipierte Frau, die mit beitragen möchte zum Familieneinkommen (auch wenn es nur ein Bruchteil von dem ist, was der Mann heim bringt, weswegen sich bei uns die Frage nach Tausch gar nicht stellt).

Aber ist vor allem auch mehr Zeit für die Kinder, ihre Bedürfnisse und auch für meine Gesundheit.

Zwischendurch überlegte ich, ob ich mit meinem Schritt nicht alle anderen arbeitenden Müttern ein klein wenig schade: Wieder eine angestellte Mutter, die (überspitzt gedacht) dem Unternehmen mehr Arbeit macht als Leistung bringt. Wieder eine angestellte Mutter, bei der die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht klappt. Wieder eine, die besser die vollen 3 Jahre zuhause geblieben wäre. Und so weiter und so fort…

Aber dann sagt mir mein Kopf: „Diesen Schuh ziehe ich mir jetzt nicht an! Der weite Arbeitsweg, der kurze Altersabstand der Kinder, davon gleich 4 und keine Möglichkeit für Telearbeit- es ist in Ordnung, dass ich jetzt diese Auszeit nehme! Dafür ist die Elternzeit da! Die Kinder brauchen mich jetzt (Wackelzahnpubertät, Präpubertät), nicht später später, wie ich es in letzter Zeit viel zu oft sagte!“

Und mein Bauch grummelt leise „Aber Du wirst es vermissen, das Arbeiten gehen!“

Und doch geht es mir jetzt so viel besser mit dem Bewusstein, bald einen zweiten Abschnitt Elternzeit zu nehmen*.



Keine Rechtsberatung, aber meine persönliche Recherche beim BMFSFJ:

*Elternzeit kann in mehrere Abschnitte aufgeteilt werden, dem Abschnitt 1 und 2 muss der Arbeitgeber i.d.R. nicht zustimmen, auf die hat man also so gut wie immer Anrecht und sie muss nicht formal gewährt werden! Man kann sie einfach nehmen! Alles ab dem 3. Abschnitt kann er ablehnen aus betrieblichen Gründen.
Jedem Elternteil stehen 36 Monate Elternzeit zu. Ist das Kind nach dem 01.07.2015 geboren, können davon bis zu 24 Monate zwischen dem 3. und 8. Geburtstag genommen werden und zwar ohne vorherige Übertragung und ohne, dass der Arbeitgeber zustimmen muss, sofern es sich um Abschnitt 1 oder 2 handelt! Es muss einfach nur die Anmeldefrist eingehalten werden.
Ich habe jetzt einen zweiten Abschnitt Elternzeit zwischen dem 2. und 3. Geburtstag eingereicht, der über den 3. Geburtstag hinausgeht. Das funktioniert, weil ich aus dem zweijährigen Bindungszeitraum nach der Geburt schon raus bin. Für den legt man sich nämlich bei Geburt verbindlich fest (gewünschten Änderungen muss der Arbeitgeber dann erst zustimmen).
Elternzeit muss nicht in Lebensmonaten des Kindes genommen werden (es bietet sich bei Bezug von Elterngeld allerdings an). Ich hatte jetzt ein gutes Datum für die Fristeinhaltung und die Abrechnung gewählt.
Während der Anmeldefrist und bereits eine Woche vorher besteht nämlich schon Kündigungsschutz (wie die ganze Elternzeit über). Man sollte also in der Woche vor Beginn der Anmeldefrist das Anschreiben zu Elternzeit einreichen, um in den kompletten Kündigungsschutz zu kommen.

Mehr Infos beim Familienportal des BMFSFJ



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