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Parallelwelten

Ich fahre jeden Morgen mit dem Anzug- und Kostümchen- Express in die nahe gelegene Großstadt. Auf der Fahrt spielt fast jeder mit seinem kleinen Buchcomputer, checkt auf einem eierlegenden Wollmilchsau- Handy seine Mails oder Gesichts-Buch-Einträge oder liest ganz old-fashioned auf Papier zumindest die FAZ oder Financial*Times.

Beim Umsteigen stehe ich in der Schlange der Bäckerei und muss erst die 2 Moccachinos, das Kuchentablett mit den 25 Teilchen (Einstand? Ausstand? Geburtstag?) und den einzelnen Latte grande – selbstverständlich alles to go – abwarten, bis ich endlich mein Frühstück kaufen kann.

Danach komme ich irgendwann im Büro an, sage den Kollegen Hallo, schaue in mein Post-Körbchen und fahre meinen Rechner hoch.

Nachmittags komme ich nach hause, lege mich vielleicht noch mal ganz kurz aufs Ohr und dann fordert schon das Tochterkind wieder meine fast volle Aufmerksamkeit.

In nur wenigen Wochen (wenn ich Glück oder Pech habe auch schon früher) werde ich in einer Parallelwelt leben:

Vor der Geburt werde ich morgens nur aufstehen müssen, um das Tochterkind zum Kindergarten zu bringen. Danach werde ich das im Haushalt tun, was ich noch schaffe, ggf. die letzten Kisten auspacken und die Erstauststattung für das kleine Menschlein vervollständigen. Dann werde ich das Tochterkind wieder abholen und dann kommt auch schon der Doppel-M von der Arbeit nach hause.

Keine Anzugträger, keine Coffees-to-go, stattdessen werde ich tagsüber in Wartezimmern rumsitzen (Frauenarzt), mich pieksen lassen (Akupunktur) und es hoffentlich noch mal zum Yoga schaffen (Atemübungen).

Nach der Geburt werde ich froh sein, überhaupt wieder 10min am Stück laufen zu können (Kreislauf), nicht mehr als 60min zu spät zu einem Termin zu kommen (Mütter-Treff), es überhaupt zum Impfen geschafft zu haben (Baby hat weder Erkältung/ Durchfall noch sonst etwas) und uns hoffentlich zur Anschaffung eines Trockners gratulieren dürfen (mal sehen wann der Kontostand grünes Licht gibt).

Momentan ist diese Vorstellung für mich jedoch noch so weit weg wie die Erde vom Mond.

Ich weiß aber durch das Tochterkind, dass einem gerade nachts um 2 Uhr bei der 512. Runde durch das Schlafzimmer mit einem schreienden Bündel auf dem Arm der Gedanke an eine regelmäßige Arbeitsstruktur, an tägliches Schminken und milch-/ kotze-/ schei**e- fleckenfreie Klamotten nur ein müdes Kopfschütteln entlocken kann.

Dennoch wird es mir früher oder später fehlen, auch wenn ich jetzt das Ende im Büro kaum erwarten kann…

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