Zum Inhalt springen

Das Unabwendbare annehmen

Gerade habe ich erfahren, dass mein Vater morgen ins Hospiz verlegt wird.

Morgen schon. Das geht so schnell!

Ende letzter Woche wurde uns doch erst mitgeteilt, dass er und sein Verhalten nicht mehr länger tragbar für Krankenhaus und Personal seien und man eine Lösung finden müsse.

Morgen schon?

Wie soll das gehen?

Gestern war ich ja noch bei ihm und wunderte mich, wie sich sein Verhalten doch verändert hatte: War ihm unser Besuch sonst immer sehr schnell zu anstrengend geworden, wollte er uns gestern schon fast nicht mehr gehen lassen. Er suchte von sich aus Gesprächsthemen, auch wenn wir ihn oft nur schlecht verstehen konnten. Keine Meckereien mehr über Krankenschwestern oder Bestrahlungen, die er zuletzt soagr verweigert hatte.

Sichtlich Spass hatte er am Junebug und ihrer Brabbelei. Weicher wirkte er auf mich, obwohl er weiter abgenommen hat und nur noch Haut und Knochen ist. Mochte nichts trinken, obwohl der Mund so trocken war. Verschluckte sich dann fast und musste wieder aufstossen. Plötzlich fand ich mich in der Situation wieder, ihm bei seiner Windel helfen zu müssen „Mit Windeln kenne ich mich doch aus, Papa!“ scherzte ich noch, und es fühlte sich gar nicht falsch oder unpassend an.

Lang Zurückliegendes stand ihm glasklar vor Augen, die Gegenwart umso weniger. Wußte nicht mehr so recht, dass Weihnachten doch schon längst vorbei war und man ihn vor Kurzem auf ein anderes Zimmer verlegt hatte. Zurecht schaute ich mich mit ihm um, sehen die Zimmer von innen doch alle gleich aus. Ihm ist allerdings bewusst, dass die nächste Verlegung ins Hospiz erfolgt. Wie es dann ohne künstliche Ernährung weitergehen solle, konnte er sich auch nicht erklären.

Schnell wird es wohl gehen.

Ich möchte Euch nochmals danken. Die vielen Kommentare auf meinen ersten Beitrag zum Abschied von meinem Vater vor 4 Wochen haben Schleusentore in mir geöffnet. Eure Resonanz war wirklich überwältigend!

Und jetzt sitze ich hier wieder – mit einem schlafenden Baby in der Federwiege, einem fiebernden Kleinkind im Gitterbett und vielen Tränen in den Augen. Eine alte Freundin am Ohr, die just heute, gerade eben in diesem Augenblick aus weiter Ferne anrief, als hätte sie es geahnt.

Ich würde ihn am liebsten begleiten und fürchte andererseits, mich in dieser Aufgabe zu verlieren. Möchte bei ihm sein und mich doch auch um meine eigenen Kinder kümmern: Die Große, die sehnsüchtig auf Altweiber und den Beginn der richtigen Karnevalssaison wartet. Der Bub, den ich sonst krank zur anderen Oma geben müsste, weil der Mann leider keinen Urlaub nehmen kann. Das Junebug, das ich mitnehmen müsste und mir schmerzlich den Lauf des Lebens direkt vor Augen halten würde – mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Ich werde meinen eigenen Weg finden, ihn und auch meine Mutter so zu begleiten wie ich kann. Die nächsten Tage werden nicht einfach sein.

Und dann suchen wir bald den neuen Stern am Himmel, so wie ich es gestern noch im Auto mit der großen Tochter sang.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert